Die Geschichte des Grauen Wolfes und der Wolfsgruß

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Der Wolfsgruß (Bozkurt) war nach der Gründung der Türkei erst in den siebziger und achtziger Jahren ein klares Erkennungszeichen der Grauen Wölfe, zu denen der staatliche Sicherheitsapparat - Polizei, Geheimdienst und Militär - in Zeiten des Kalten Krieges ein ambivalentes Verhältnis unterhielt.

Offiziell verpönt, wurden sie unter der Hand nach Kräften als "Antikommunisten" gefördert und gebraucht, um gegen linke Studentenbewegungen in Stellung gebracht werden zu können. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten, in deren schlimmsten Phasen wir wöchentlich bis zu 25 Tote zu beklagen hatten, haben dem Militärputsch vom 12. September 1980 den Weg geebnet.

Als in den Achtziger Jahren unter der Führung von Abdullah Öcalan die PKK aufkam, wurden die Grauen Wölfe im In- wie auch Ausland auch gegen diese Organisation in Stellung gebracht. Sie waren in jenen Zeiten die "nützlichen Idioten", die die "Drecksarbeit" verrichteten. Eine üble Melange aus mafiosen Strukturen, faschistischen Schlägerbanden mit geheimdienstlichen Verbindungen, die sich mit Drogengeldern finanzierte und Jagd auf Linke und "Staatsfeinde" im In- wie auch Ausland machte.

Das ging so bis in die Neunziger Jahre. Das Ende des Kalten Krieges hat dann eine grundlegende Wende eingeleitet. Der Antikommunismus wurde mehr oder minder obsolet, während parallel innenpolitisch der Aufstieg des politischen Islams begann. Die Bewegung wurde nach und nach in Richtung politische Mitte gedrängt, wo man sie als Teil des bürgerlichen Bollwerkes gegen die neuen "islamistischen Staatsfeinde" einzubinden suchte. Das war unter anderem auch deswegen relativ reibungslos möglich, weil politische Bewegungen in der Türkei kaum über konsistente und geschlossene weltanschauliche Grundlagen verfügen. Das ist zumeist oberflächliches eklektisches Flickwerk, deren bindende Kraft eher von Symbolismus und Emotionen getragen wird. Intellektuelle Tiefe, ausgefeilte weltanschauliche Theorien sucht man da eher vergebens.

So war es der MHP - der parteipolitischen Manifestation der Grauen Wölfe - ohne nennenswerten Widerstand von der Basis möglich, in eine Koalition mit den Sozialdemokraten von Bülent Ecevit einzutreten, um Necmettin Erbakan und seine islamische Refah-Partei zu stürzen. Das war damals eine echte politische Sensation. Die Partei war im Mainstream angekommen, in den darauffolgenden Jahrzehnten reihte sie sich ohne nennenswerte Zwischenfälle in die Dynamik der staatstragenden türkischen Politik ein.

Zunächst als Regierungspartei, dann später nach dem Siegeszug der AKP als eine der wichtigsten Oppositionsparteien, bis ihr mittlerweile greiser Vorsitzender Devlet Bahceli nach dem Putschversuch von 2016 eine neuerliche 180-Grad-Wendung vollzog und von einem der schärfsten Kritiker Erdogans zu seinem wichtigsten Unterstützer wurde.

Es sind mittlerweile fast drei Jahrzehnte, die diese Partei und die sie tragende Bewegung einen Abschleifungsprozess durchlebt hat, der von der Radikalität der siebziger und achtziger Jahre kaum mehr was übriggelassen hat. Das ist der innenpolitische Aspekt.

Mit Blick auf die Symbolik der Grauen Wölfe muss man aber unbedingt noch eine außenpolitische Konstellation ansprechen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Unabhängigkeit der zentralasiatischen Türkstaaten hat dazu geführt, dass die Türken auf einmal sehr lebendig spüren und erfahren konnten, dass da Hunderte Millionen von Menschen sind, die so ähnlich reden, denken, fühlen und leben wie wir. 
Das war für viele gleichsam so, als hätte man uns in ein anderes Universum gebeamt. Und überall war da dieser mythologische Bezug auf den Grauen Wolf, der zwar in der Gründerzeit der Türkei wieder aufkeimte, dann jedoch in der Versenkung landete. In Kasachstan, in Aserbaidschan, bei den Türkmenen, in der sibirischen Steppe, selbst bei christlichen Turkvölkern wie den Gagausen in Moldawien, erkannte man wieder die Symbolik in Erzählungen, Liedern, Statuen, Skulpturen.

Das Symbol des Grauen Wolfes hat in diesen Jahrzehnten zusehends seine konkrete politische Verknüpfung mit der faschistischen Bewegung der "Grauen Wölfe" der siebziger und achtziger Jahre verloren und ist Teil einer gemeinsamen, unpolitischen Folklore geworden.

Meine Generation ist vielleicht die letzte, die noch ein Bewusstsein für die fragwürdige und wechselvolle politische türkische Geschichte dieser Symbolik hat. Und leider stützen sich die deutschen Expertisen, anhand derer deutsche Behörden und Institutionen diese Bewegung und ihre Symbolik beurteilen, auf den Blick von Leuten, die selber noch in diesen alten Konfrontationen gefangen sind. In Ländern wie Deutschland haben sich die alten Konfliktlinien und ihre Perzeption konserviert. An deutschen Hochschulen, Parteien und NGO´s sitzen sehr viele (tatsächliche oder vermeintliche) "Türkeistämmige" Experten, die ihre um Jahrzehnte überholte und verzerrte Perzeption in die politisch-medialen Echokammern der deutschen Mehrheitsgesellschaft tragen.

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