Türkei vor den Wahlen - wo ist der Traktor geblieben?

Zu lesen in den Sprachen: GERMAN

In 105 Tagen werden türkische Wähler ihre Stimmzettel in die Wahlurne einwerfen. Die amtierende Koalitionsregierung der AKP und MHP hat ihren Spitzenkandidaten vorgestellt. Die Opposition war am Freitag auch nach einer 9-stündigen Marathonsitzung nicht imstande, einen Kasper vorzustellen.

Kasper insofern, als die Kameraden und die Kameradin am 6´er Tisch eine merkwürdige Vorstellung darüber haben, ein Wahlprogramm schmackhaft zu machen, das Mann oder Frau mit Begeisterung aufnimmt. Stattdessen setzen Wettbüros sogar Wetten auf; darüber, wer in den nächsten 105 Tagen das dümmste Wahlversprechen abgibt.

Würden sie etwa einer Partei oder einem Oppositionsführer die Stimme geben, wenn dieser versprechen würde, jedem Gemeindevorsteher einen weiteren Helfer zur Seite zu stellen? Vielleicht würden sie es, wenn sie selbst an der Seite des Gemeindevorstehers sitzen und ihr Namensschild auf dem Tisch Platz einnehmen würde. Was bekommt der Rest? Nix! No, Njet, Nein, ganz einfach Yok!

In der Türkei gibt es einen Oppositionsführer, der genau das beherrscht. Er schafft es, all die dringlichen Probleme der Türkei dem Gemeindevorsteher-Stellvertretenden-Problem unterzuordnen.

Die Schere zwischen Arm und Reich ist in der Türkei - keine Frage - groß. Die zwischen Schnarchnasen und Machern, aber noch größer und die zwischen dem 6´er Tisch und dem Koalitionsbündnis; tja, angesichts der bisher gemachten Wahlversprechen des Oppositionstisches müsste man am Universum Maß nehmen, um zu eruieren, woran man ist.

Ich will ja wirklich nicht die Opposition schlecht reden. Angesichts der Tatsache, dass Recep Tayyip Erdoğan das deutsche Rentenalter erreicht hat, wäre es an der Zeit, ein neues Gesicht zu sehen.

Aber Herrgott nochmal, es gibt in der Türkei aber auch wirklich niemanden, der Erdoğan gefährlich werden könnte; außer, man sucht seinen Rivalen innerhalb der AKP selbst. Dabei haben wir uns einen oppositionellen Rivalen doch wirklich verdient, angesichts der düster gezeichneten Zukunftsperspektiven, die uns die Opposition ständig unter die Nase hält.

Wenn die Opposition doch einmal nachzeichnen würde, wer Freund der Türkei und wer Feind ist. Oder, was man beabsichtige, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Vielleicht auch ein Wahlversprechen wie „einen kostenlosen Traktor für jeden Bauern“? Aber nein, es muss ein Stellvertreter her, der dem Gemeindevorsteher unter die Arme greift. Bei den Wahlen von 2018, da gab es noch das Versprechen an die Landwirte, ein Traktor zu bekommen. Offensichtlich ist man in der Opposition diesmal nicht mehr in der Geberlaune und übt sich diesmal in Bescheidenheit.

Und dann das Hintergrundrauschen aus dem Ausland, die prophezeien, dass das Land an die Wand gefahren werde; durch eine islamistischnationaleextremistische Partei und so... Leute, wann ist es denn so weit? Bis wann habe ich Zeit, meine türkischen Konten zu plündern, meine Frau zu verhüllen oder die Kinder rechtzeitig den Koran herunter rezitieren zu lassen, mir eine Hornhaut an der Stirn wachsen zu lassen oder den Wolfsgruß zu beherrschen? Gerade letzterer ist verflixt schwer nachzumachen, wobei die Oppositionsführer das aufgrund ihrer Multitaskingfähigkeit im Schlaf hinkriegen. Also, zurück zu den Schwarzmalereien: Geht es etwas exakter, vielleicht in Jahren, wenn schon die Warnungen vor Dekaden nicht eingetreten sind?

Vor allem mag ich meine Haustürken, die den Wahlkampf in Deutschland mit der PKK und der Gülen-Sekte eingeläutet haben. Sie haben nichts Besseres zu tun, als den Blockwart zu spielen und Denunziantentum zu betreiben. So informieren Sie uns mit großem Enthusiasmus, in welchem Schuppen welcher AKP-Politiker oder Abgeordnete eine Wahlkampfrede abgehalten hat. Es würde uns aber vielmehr helfen, wenn unsere Blockwarte uns die Termine vorab nennen würden, statt über die Veranstaltungen im Nachhinein zu sinnieren. Schließlich brauchen Türken keine vorgekaute Resümees, sondern wollen selbst ein Bild davon machen.

Jedenfalls, besser kann es für den derzeit einzigen Spitzenkandidaten ja nicht laufen. Da braucht die Opposition erst gar nicht erklären, wer Freund oder Feind ist; es kommt immer auf den Blickwinkel an! Ob die Opposition angesichts dieser ausländischen Wahlkampfhilfe gelb vor Neid wird? Ich denke, sogar das geht über deren Horizont hinaus. Die setzen lieber auf die Gemeindevorsteher.

Unterdessen setzt der gegenwärtige Präsident auf die nationale und internationale Sicherheitsstrategien, auf geopolitischen Wachstum und vor allem, auf Bauen und Eröffnen. Erstere hat ja in Deutschland für Schnappatmung gesorgt; gut so, denn damit hat sich geklärt, woher der Wind weht. Der Einfluss, denn die Türkei derzeit ausübt, ob in Afrika, in Eurasien oder im Balkan, ist hörbar; das Zähneknirschen aus Europa und den USA ist ja auch unüberhörbar. Und das Wirtschaftswachstum hilft der Regierung, die Inflation halbwegs zu kompensieren, mit Haushaltsmitteln die Kaufkraft geradeso aufrechtzuerhalten.

Ich bin ja wahrlich keiner, der so leicht auf Verschwörungstheorien aufspringt. Aber wenn ich sehe, wie die Opposition sich derzeit aufführt, könnte man glatt glauben, sie wolle in 105 Tagen aufgrund der Gegebenheiten partout nicht die Regierungsmehrheit erringen. Wäre auch verständlich, angesichts der anhaltenden Weltwirtschaftskrise, dem Ukraine-Krieg und sonstigen Konflikten, die auch die Türkei direkt oder indirekt treffen. Oder würden sie jetzt einen maroden Staat übernehmen, wenn es doch in 5 Jahren bessere Aussichten gebe? Meine ich auch! Also tut die Opposition genau deshalb das Gegenteil und will die Wahlen garantiert verlieren; koste es was es wolle, auch wenn man sich dabei zum Kasper macht. Das ist die einzig logische Schlussfolgerung!