Armenier muss sich nach 30 Jahren für Völkermord von Chodschali verantworten

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Die Tochter von Vagif Khachatryan ist sichtlich aufgelöst. In einem dramatischen Appell forderte Vera Khachatryan vor versammelter Medienschar die Vereinten Nationen vor dem UN-Büro in Eriwan auf, sich für die Freilassung des Vaters einzusetzen. „Das gesamten armenische Volk, von Arzach und Armenien, wird in Aserbaidschan festgehalten“, erklärte Vera Khachatryan weiter und forderte die Medien auf, die „illegale Entführung“ ihres Vaters durch Aserbaidschan in die ganze Welt zu schreien.

Vagif Khachatryan, der 68-jährige Vater von Vera, wurde am 29. Juli von aserbaidschanischen Grenzschutzbeamten entlang des Latschin-Korridors festgenommen, als er versuchte, aus dem noch besetzten Gebiet Bergkarabach zur medizinischen Behandlung nach Armenien überführt zu werden.

Vagif Khachatryan ist in Aserbaidschan kein Unbekannter, wird er doch für die Massaker von Chodschali, insbesondere für Kriegsverbrechen in Meshali während des Ersten Bergkarabach Krieges mitverantwortlich gemacht. Das Massaker von Chodschali gilt als größter Einzelmassaker während des gesamten Bergkarabach-Konflikts.

Offensichtlich lebte der 68-jährige Vagif Khachatryan nach dem Ersten Bergkarabach Krieges unbehelligt im armenisch besetzten Bergkarabach, bis Aserbaidschan zwischen dem 27. September 2020 bis 10. November 2020, also rund 30 Jahre später, einen Befreiungsschlag startete und über zwei Drittel des besetzten aserbaidschanischen Gebietes von Armenien befreite. In dem noch armenischen De-facto-Staat in Bergkarabach namens Arzach, hielt sich Vagif Khachatryan bis zuletzt auf, abgeschnitten von Armenien.

Armenischen Medienberichten zufolge, wurde Khachatryan bei der Grenzkontrolle von aserbaidschanischen Sicherheitskräften festgenommen, als er versuchte mit einem Fahrzeug des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) durchzureisen und befindet sich offenbar in einem Krankenhaus in Baku.

Wie aus den Informationen der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Aserbaidschan hervorgeht, wird Vagif Cherkezovich Khachatryan beschuldigt, u.a. am 22. Dezember 1991 im Rahmen einer Gruppe armenischer bewaffneter Formationen im Dorf Meshali (Meşəli) in der Region Chodschali ein Massaker an der aserbaidschanischen Bevölkerung verübt zu haben. Bei den Massenmorden wurden 25 Aserbaidschaner getötet, 14 verletzt und 358 weitere vertrieben.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Baku leitete ein Strafverfahrens gegen Khachatryan wegen Beteiligung am Völkermord und Deportation bzw. Zwangsumsiedlung der Bevölkerung ein, wobei das Gericht vorbeugend Untersuchungshaft ordnete.

Bekannt ist die Region Chodschali seit 1991 vor allem für eine Offensive von armenischen Streitkräften und einigen Truppen des 366. GUS-Regiments, die Anfang 1992 eine Offensive starteten und dabei fast die gesamte aserbaidschanische Bevölkerung der Enklave zur Flucht zwangen und auf ihrer Flucht skrupellose Gewalttaten gegen Zivilisten verübten. Die Zahl der Todesopfer wird von den aserbaidschanischen Behörden mit 613 Zivilisten angegeben, darunter 106 Frauen und 63 Kinder. Aserbaidschan bezeichnet das Massaker oft als Tragödie (aserbaidschanisch: Xocalı faciəsi) oder als Völkermord (Xocalı soyqırımı).