Beim NATO-Gipfel in Madrid erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, „wir sind stark, wir schützen einander, wir stehen zueinander.“ Die Türkei fordert genau das seit Jahren im syrischen Bürgerkrieg und im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Die Bundesverteidigungsministerin Lambrecht (SPD) erklärte während des NATO-Gipfeltreffens in Madrid, „wir sind stark, wir schützen einander, wir stehen zueinander.“ Diese hehren Ziele sind nachgewiesenermaßen Wunschdenken, um in der aktuellen Krise Solidarität und Einigkeit zu demonstrieren.
Bereits zu Beginn der Beitrittsgespräche mit Schweden und Finnland hatte die Türkei mit ihren NATO-Bündnispartnern erhebliche Differenzen in Bezug zum Grenzschutz im syrischen Grenzgebiet oder im internationalen Kampf gegen den Terrorismus. Seit Jahren fordert die Türkei von ihren Bündnispartnern, dass ihre Sorgen und Nöte wahrgenommen und entsprechende Bitten umgesetzt werden.
Bis heute hat sich zum Beispiel in Zusammenhang mit der völkisch-kurdischen Terrororganisation PKK nichts getan. In etlichen Bündnisländern kann die PKK mit ihren örtlichen Stellvertreterorganisationen ungehindert, ungeniert weiter agieren, ja sogar in Parlamenten die Geschicke des Landes mitlenken. Zuletzt reichte die Terrororganisation vor dem Europäischen Gerichtshof eine Klage ein, um sich aus der europäischen Liste der Terrororganisationen streichen zu lassen.
Die Stärke eines Bündnisses, die schützende Hand übereinander, die Solidarität untereinander, kann an ihren Taten ermessen werden. Und leider versagte die NATO in Zusammenhang mit der PKK dabei grandios.
Hat das Verteidigungsbündnis nun überhaupt das Gesicht dafür, von der Türkei Stärke, Einigkeit und Solidarität einzufordern? Mitnichten! Die NATO-Anwärter Schweden und Finnland tun sich innerpolitisch immer noch schwer damit, die Kuh vom Eis zu holen. Die NATO selbst vermeidet es derzeit tunlichst, sich mit der Türkei zu verscherzen. Aber das sind nur Momentaufnahmen.
Noch immer unterstützen die Staaten der Anti-IS-Koalition die Stellvertreterorganisationen der PKK in Nordsyrien, um angeblich mit ihrer Hilfe den Islamischen Staat zurückzudrängen. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass die Türkei nicht in der Lage wäre, diese Aufgabe als legale Ordnungsmacht zu übernehmen. Stattdessen setzt man weiterhin auf eine - völkerrechtlich betrachtet - illegale Organisationsstruktur, finanziert diese und bewaffnet sie mit schwerem Gerät.
Man bewaffnet quasi eine illegale Struktur entlang der türkischen Grenze und ist davon überzeugt, damit eine andere Terrororganisation zu bändigen, während man geradezu offen zugibt, dieser illegalen Struktur Namen verpasst zu haben, damit die Türkei nicht auf die Idee kommt, dass es sich dabei um die terroristische PKK bzw. deren Ableger im Ausland handelt.
Die Türkei täte gut daran, Schweden und Finnland bis zur Ratifizierung der Beitrittswünsche - was von allen Parlamenten der NATO-Mitglieder noch vorgenommen werden muss - genauestens zu beobachten. Sollte Schweden und Finnland, ihr Memorandum mit 10 klaren Punkten die nächsten Wochen und Monate nicht komplett umsetzen, muss das türkische Parlament in der Konsequenz die Ratifizierung und damit die NATO-Mitgliedsanträge ablehnen.
Zwar hat die schwedische Außenministerien deutlich gemacht, dass die Schweden sich an Abmachungen halten, aber letztendlich müssen sich auch die Skandinavier an ihren Taten messen lassen. Dennoch muss man sich auch eingestehen, dass die Schweden nicht dazu zwingen werden können, aufgrund eines Auslieferungsersuchens der Türkei, eigene Staatsbürger auszuliefern. Man kann die schwedische oder europäische Rechtsprechung nicht in Abrede stellen, um Auslieferungen zu erzwingen. Die Türkei kann aber auf dem Rechtsweg alles unternehmen, um die Auslieferung nach nationaler oder europäischer Rechtsprechung zu einzufordern.
Ob die NATO-Mitglieder die Hürden der Türkei gegenüber Schweden und Finnland als Erpressung betrachten, als innerpolitische Machtdemonstration Erdogans verklären, ist dabei unerheblich. Letztendlich geht es um den Satz von Lambrecht, die nur so von Stärke, Schutz und Solidarität protzt, aber letztlich nur eine leere Satzhülse bleibt. Jetzt ist die Zeit gekommen, diese NATO mit ihren hehren Zielen zu einigen, diese Hülse zu füllen.
Die Anti-IS-Koalition muss aufhören, die PKK in Nordsyrien zu decken, zu unterstützen oder zu bewaffnen. Die NATO-Mitglieder müssen die PKK in ihren Ländern konsequent verfolgen. Schweden und Finnland müssen ihre Haltung zur PKK, PYD, YPG oder SDF überdenken und daraus ihre Lehren ziehen sowie handeln. Zumindest Einsicht und entsprechenden Willen zeigen. Ansonsten muss das türkische Parlament in der Konsequenz die Ratifizierung ablehnen.