Scharfmacher haben seit einigen Tagen wieder die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) für sich entdeckt und wettern im Stechschritt gegen die türkisch-muslimischen Strukturen im Land. Bemerkenswert finde ich dabei, dass die ärgsten Feinde der Demokratie und Vielfalt sich ausgerechnet in Volker Beck oder Eren Güvercin wiederfinden, weil sie die verborgenen schlechten Instinkte der Deutschen bewusst schüren.
Nach der Hetze der Journalistin Düzen Tekkal, die in sozialen Medien die DITIB mit extremistischen Kräften in einem Satz erwähnt hatte, bildet den Höhepunkt der Hetzkampagne nun die Demagogie von Eren Güverin (Alhambra Gesellschaft) sowie Volker Beck (ehem. Mitglied des Deutschen Bundestages).
Eren Güvercin postete über Twitter die Freitagspredigt der türkischen Religionsbehörde DIYANET in deutscher Sprache, in der laut seiner Ansicht nach die "Ritualmordlegende" gepflegt werde. Dabei interpretiert Güvercin offensichtlich mit deutscher Kultursensibilität die Freitagspredigt aus der Türkei. Volker Beck übernahm dann die Rolle des Dichters und Denkers, der die Vorlage auf die DITIB verlagerte.
Die DITIB, der deutsche Ableger der DIYANET, die in Deutschland über 950 Moscheegemeinden vereint, hatte für diesen Freitag jedoch eine andere Predigt parat, die mit der DIYANET nicht einmal ansatzweise verglichen werden kann, da das Thema schlichtweg eine andere war.
Das wirft einerseits die Frage auf, wessen Kultursensibilität die türkische DIYANET noch so berücksichtigen muss, als die der türkischen Staatsbürger in der Türkei und andererseits, weshalb die DITIB in Deutschland stets stellvertretend für die DIYANET in der Türkei herhalten muss? Die Frage sei doch hierbei erlaubt, ob man dann nicht doch die Deutschen Juden oder den Zentralrat der Juden in Deutschland für die israelische Regierung zur Verantwortung zieht - nicht wahr?
Weshalb sollte also die DIYANET die Kultursensibilität eines Eren Güvercin oder Volker Beck in Deutschland berücksichtigen, die die deutsche Kultursensibilität über die hiesige "Ritualmordlegende" aufgreifen und auf ihre Freitagspredigt ummünzen? Wie kommt man eigentlich verdammt noch mal zum Schluss, in der türkischen Predigt der DIYANET werde die "Klassische antisemitische Ritualmordlegende" verbreitet?
Die Römer warfen den Karthakern dieses Ritus vor und vernichteten sie. Die Christenheit warf es den Juden in Europa vor und verfolgte sie immer wieder. Während der Weimarer Republik und in der Ära des Nationalsozialismus warf man Juden Ritualmorde vor, was letztendlich im Holocaust mündete. Das vom Islam geprägte Osmanische Reich pflegte dagegen religiöse Toleranz gegen die Minderheiten der Christen und Juden. Im 15. Jahrhundert nahm es die aus Spanien vertriebenen Juden auf. Nach dieser Zeit traten auch im Osmanischen Reich Blutanklagen gegen Juden auf. Sie gingen aber alle ausgerechnet von orthodoxen Christen – Griechen und Armeniern – aus, die die Juden als wirtschaftlich privilegierte Konkurrenten sahen. Sie waren bis 1800 aber sehr selten und wurden allesamt mit Dekreten der osmanischen Regierung zurückgewiesen.
Wenn dem so ist, wessen "Ritualmordlegende", wessen "Holocaust" und wessen "Antisemitismus" ist es denn, dass die DIYANET in der Türkei, ja sogar die DITIB und anderen türkisch-muslimischen Vereine und Verbände in Deutschland nun als Sündenböcke dafür ihren Kopf herhalten müssen? Nun, ich behaupte gar, dass die türkischen Muslime, aber auch jeder freie Mensch weltweit mit etwas Gewissen und Unrechtsbewusstsein die Frage stellen würde, was die israelische Regierung auf Ländereien der Palästinenser zu suchen hat. Vor allem dann, wenn die Besetzung auch noch mit Gewalt durchgesetzt wird!
Ist es denn nicht so, dass die israelischen Regierungen seit 1948 Land von Palästinensern beschlagnahmen, Siedler dazu anstiften sich in diesen Ländereien anzusiedeln, um so Fakten zu schaffen? Entgegen dem humanitären Völkerrecht, entgegen einem Gutachten des Internationalen Strafgerichtshofs, die die israelischen Regierungen bisher nicht anerkannt haben? Wer hat denn mehr von Gewalt sowie Zerstörung und wer geht stets leer aus, muss sogar weitere Verluste seiner Heimat hinnehmen?
Ist es nur das Privileg eines jeden einzelnen Menschen an sich, diese Ungerechtigkeit zur Aussprache zu bringen oder haben auch religiöse bzw. migrantische Institutionen die Pflicht, solche Ungerechtigkeiten anzuprangern, damit der Gerechtigkeitssinn geschärft, Unrecht vom Recht unterschieden werden kann? Haben solche Institutionen nicht die Aufgabe den sozialen Frieden zu erhalten, in dem sie andere Institutionen darauf aufmerksam machen, welches Unrecht sich da derzeit im Nahen Osten abspielt? Wer agiert denn gegen diesen Frieden, wenn nicht Demagogen und Hetzer, die das stets negativ auffassen und Unrecht zu Recht verklären?
Noch einmal: Wenn die Predigt der DIYANET nicht an türkisch-muslimische Gläubige in Deutschland gerichtet war und der sogenannte Ableger der DIYANET in Deutschland, die DITIB, am selben Tag eine grundlegend andere Freitagspredigt aufgesetzt hat, welchen Zweck verfolgen dann Demagogen und Hetzer?
Hier geht es schlichtweg nicht um die "Ritualmordlegende", sondern um die Gleichsetzung der DITIB mit der DIYANET sowie die Verteidigung der Netanjahu-Regierung und deren Handeln in Palästina. Man ist nach wie vor der Meinung, dass die DITIB auch nach mehr als 37 Jahren ausschließlich von der Türkei - vor allem von Erdogan - aus gesteuert werde. Die angeschlossenen 950 Vereine und all ihre Mitglieder agieren demnach mit den Vorgaben der DIYANET und deren entsendeten Imamen, so die steile These. Das heißt, all ihre Gläubigen sind allzu empfänglich für Antisemitismus und Rassismus, weil diese angeblich von der DIYANET bzw. deren Imamen gepflegt werde.
Damit wird auch der Eindruck erweckt, die Mitglieder wären nie in Deutschland angekommen, würden eine archaische Religion in Deutschland ausleben und meuchelnd und mordend Ungläubige wie "Juden" oder "Christen" verfolgen. Zudem kommt aufgrund der Aktualität der Antisemitismus hinzu, mit der geflissentlich die DITIB und die vertretenen Gläubigen in Verbindung gebracht werden, um das Verbrechen im Nahen Osten in Nebel einzutauchen.
Eine hochexplosive Mischung, die sich da gegenseitig hochschaukelt, die schon in der Vergangenheit bei anderen geopolitischen Themen die DITIB und ihre angeschlossenen Vereine mehrfach zum Zielobjekt rassistischer oder extremistischer Anschläge machte. Hier geht es noch viel weiter, viel tiefer und vor allem viel raffinierter!
Als Demagoge brauchen Düzen Tekkal, Burak Copur, Volker Beck oder Eren Güvercin sich nicht mit Fakten herumzuschlagen. Wichtig für sie ist, das von ihnen gemalte Bild der DITIB und anderen türkisch-muslimischen Vereine und Verbände weiterhin aufrechtzuerhalten, die man als Demagogen und Hetzer längst etabliert hat. Sie sind Angstspezialisten, sie sprechen Ängste an, heizen sie an und schieben immer Ängste und Besorgnisse als Argument vor sich her. Demagogen haben aber selbst Angst, Angst vor Gegenpositionen! Wenn solche Demagogen Menschen anziehen und Gegenpositionen ausschließen, ist es auch Ausdruck der Angst vor einem gegenteiligen kontroversen Diskurs, die es gilt zu verweigern.
Kein Wunder, dass die meisten Wortführer die gegenteiliges erklären, von solchen Demagogen und Hetzern vom eigenen angestoßenen Diskurs stets ausgeschlossen oder marginalisiert werden. Demagogen und Hetzer wollen Lager schaffen, in WIR und die ANDEREN, um die Rechtfertigung zu haben, solche Diskursgegner konsequent auszuschließen. Die Motive, die dabei vorgetragen werden, sind stets dieselben: WIR sind die guten und die ANDEREN die schlechten und prinzipiell immer aggressiv und gewalttätig. Jene also die die Gesellschaft vergiften oder gegen sie Gewalt anwenden.
Ob nun Düzen Tekkal, Burak Copur, Volker Beck, Eren Güvercin, Cem Özdemir, Ali Ertan Toprak oder die vielen weiteren Demagogen und Hetzer, sie haben mitunter Donald Trump in seiner demagogischen Dramaturgie weit überholt. Denn Trump erzählte auch viel Mist, was seine Anhänger unhinterfragt übernahmen, aber ihn konnte man in den USA gesellschaftlich stoppen. In Deutschland blühen Demagogen dagegen innerhalb der AfD, CDU, Grünen, SPD, Linke oder Persönlichkeiten mit Migrationshintergrund regelrecht auf und haben meist Gemeinsamkeiten, weil ausgerechnet hier in Deutschland - dem "Nie wieder"-Land - Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung nach wie vor bis in die Mitte gesellschaftsfähig ist.
Das macht sich in vielfältiger Form bemerkbar und hat seit Jahrzehnten stark zugenommen. Es geht sogar soweit, dass gefühlt und mittlerweile 80 Millionen Bewunderer von Benjamin Netanjahu, Abdullah Öcalan, Fethullah Gülen oder sonstigen Führern und Verbrechern meiner Wenigkeit oder anderen Türken vorschreiben wollen, an was man zu glauben haben, was Recht und Unrecht sei, wie man sich zu kleiden habe, in welcher Obhut die eigenen Zöglinge am besten aufgehoben wären oder weshalb man die eigene Heimat verflixt noch mal zu verurteilen habe. Diese Burschen und Burschettas glauben tatsächlich, die Nabel der Welt zu sein, um das sich alles drehen müsse. Das ist genau mein Humor!