Bigotterie

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Es hat inzwischen etwas bigottes an sich, wenn Volker Beck oder Düzen Tekkal aufgrund zweier kritischer Medienberichte Solidarität für Cem Özdemir und Berivan Aymaz fordern, zeitgleich die DITIB unmissverständlich dazu aufrufen es gleichzutun, aber im selben Moment in der Öffentlichkeit als zunehmend Bedrohliches wahrnehmen, so auch unmissverständlich kommunizieren und Widerspruch hierzu kategorisch ausschließen.

Geschehen am Montag kurz nach bekanntwerden von zwei kritischen Artikeln über den Grünen-Politiker Cem Özdemir sowie Grünen-Politikerin Berivan Aymaz, die einmal in der türkischen Zeitung "Akit" sowie der türkischen Deutschlandausgabe "Sabah Avrupa" erschienen.

In den besagten Artikeln geht es um den Versuch der zwei deutschen Politiker, auf die Landesregierung NRW Druck auszuüben, damit diese die Zusammenarbeit mit dem größten Moscheeverband DITIB in Zusammenhang mit dem islamischen Religionsunterricht beendet. Die Kritik in den besagten türkischen Medienberichten richtet sich vor allem in Zusammenhang mit deren Verbindungen zur Terrororganisation PKK, die sich in Deutschland frei bewegen kann.

Merkwürdigerweise sind es gerade Cem Özdemir und Berivan Aymaz selbst, die mit Populismus und mit weiteren herausragenden Persönlichkeiten wie Volker Beck oder Düzen Tekkal, den sogenannten Willen "des Volkes" auf die DITIB kanalisieren und so unter anderem die Entscheidung der Landesregierung NRW revidiert sehen wollen, die den größten Moscheeverband mit im Boot haben will, um den islamischen Religionsunterricht für rund 20.000 Schüler mitzugestalten.

In diesem Fall bewahrheitet sich aber ein Grundproblem dieser Populisten, die Kritik nicht aufkommen lassen wollen, stattdessen als Antwort darauf auf Solidarität pochen. Der von diesen Populisten vorgelebte Pluralismus wird für den eigenen Populismus immer zum Problem, weil es gleichzeitig für eine Vielzahl von Freiheits- und Handlungsräumen steht. Diesen Raum gilt es offenbar nicht mehr zur Verfügung zu stellen.

Die "Akit" oder "Sabah Avrupa", wenn man sie unter diesem Nenner betrachtet, sind Kritiker dieses Populismus, deren Freiheits- und Handlungsräume nun per Solidaritätswelle für Cem Özdemir oder Berivan Aymaz eingeengt bzw. in Abrede gestellt werden. Mag sein, dass die zwei türkischen Medien ebenfalls populistisch berichten, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass die genannten Politiker und Persönlichkeiten selbst seit Jahren mit Demagogie gegen die DITIB zu Felde ziehen.

Viele Kritiker dieser Praxis finden sich auch innerhalb der deutschtürkischen wie türkischen Community in Deutschland, deren Freiheits- und Handlungsräume von Volker Beck, Düzen Tekkal, Cem Özdemir oder Berivan Aymaz seit Jahren ebenso und konsequent eingeengt werden.

Inzwischen verkommt diese Art der andauernden Beschwörung zur Solidarität zu einem Schmierentheater, dessen populistischer Hintergrund nicht davor hinwegtäuschen darf, wie Freiheiten und Handlungsräume da geflissentlich ausradiert werden. Bereits unter normalen Umständen ist die Aufforderung zur Solidarität schwer erträglich, zumal die DITIB seit Jahren unter alltäglichen Attacken, Angriffen sowie Schändungen zu Leiden hat und bislang bei jedem gewalttätigen Ende keine entsprechende Solidarität erfuhr, wie diese Politiker aufgrund zweier kritischer Zeitungsstimmen nun selbst von anderen einfordern oder einfordern lassen.

Hat die DITIB bisher selbst Solidarität eingefordert, für jährlich zu Hunderten stattfindenden Attacken, Angriffe und Schändungen ihrer Moscheegemeinden? Wieso sollen ausgerechnet sie sich mit Cem Özdemir oder Berivan Ayman solidarisch zeigen, wenn diese Personen stets selbst populistisch gegen sie austeilen und dabei rein zufällig mit der AfD mitziehen? Hat man als Türkischstämmiger oder Moscheeverband inzwischen keine Wahl mehr, sich vom Mob zu distanzieren, die mit dieser Solidaritätswelle mit schwimmen und Verbote einfordern, die einen selbst betreffen?

Weil zwei türkischsprachige Zeitungen Kritik an Cem Özdemir und Berivan Aymaz üben, soll die DITIB sich nun sogar zu der Berichterstattung der "Akit" oder "Sabah Avrupa" äußern und deren Presse- und Meinungsfreiheit solidarisch mit untergraben. Was ist denn das, wenn nicht eine Aufforderung zur Wagenburgmentalität, gleichzeitig eine Aufforderung an den Mob, die Hexenjagd zu starten?

Solidarität kann nicht eingefordert werden, sie ist entweder da oder sie ist nicht da. Die Politiker und Persönlichkeiten können an die Solidarität appellieren, aber es ergibt wenig Sinn, sie einzufordern oder zu beschwören. Schon gar nicht, wenn die DITIB dieselbe Solidarität nie erfahren hat, die über eine Millionen Deutschtürken und Türken repräsentiert.

Die DITIB, deren angeschlossenen Moscheegemeinden im Bundesgebiet und alle Mitglieder sowie Besucher und Gäste, aus dem Islamunterricht in NRW ausschließen zu wollen, untergräbt nicht nur die Freiheits- und Handlungsräume derer, sondern ist vor allem eine Kapitulation vor dem Populismus der besagten Politiker und Persönlichkeiten, die ihre Demagogie dazu nutzen, unter anderem PKK-nahe Vereinigungen in Deutschland zu hofieren und salonfähig zu machen. Insofern haben die beiden türkischen Zeitungen nicht über Unwahrheiten berichtet, sondern vielmehr kritisch und reflektiert von ihrer Pressefreiheit gebrauch gemacht. Diese Freiheit der Medien auf die DITIB umzumünzen, populistisch auszuschlachten, ist nicht nur schäbig, sondern billig.