Völkerrechtlerin Annalena Baerbock brüstet sich damit, den Wertekanon der internationalen Gemeinschaft durchsetzen zu wollen. Bislang ohne befriedigendes Ergebnis. In Deutschland brüskiert ein Interview mit dem türkischen Oberrabbiner die christlich-jüdische Wertebasis. Burak Çopur ist gegen ein Verbot einer völkisch-kurdischen Partei, bei Grauen Wölfen wiederum doch nicht; je nach politischem Kalkül.
Völkerrechtlerin Baerbock hat es verbockt
Ende vergangenes Jahr stimmten bei den Vereinten Nationen UN, die USA und 24 weitere Mitglieder – darunter das Vereinigte Königreich und Deutschland – gegen eine Resolution, bei der an die „Nakba“ erinnert werden sollte. Nur wenig später stimmten dieselben Staaten, darunter Deutschland, auch gegen einen Auftrag für ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (ICJ) über Israels mehr als 55-jährige Besatzung in Palästina.
Die UN-Generalversammlung hat dennoch entschieden, dass der IGH ein Gutachten zu den rechtlichen Folgen der israelischen „Besatzung, Besiedlung und Annexion… einschließlich Maßnahmen zur Änderung der demografischen Zusammensetzung, des Charakters und des Status der Stadt Jerusalem und ihrer Annahme, der damit zusammenhängenden Maßnahmen wie diskriminierender Gesetze und Maßnahmen“ erstellt. Und wer hatte dagegen gestimmt?
Die Außenministerin und Völkerrechtlerin Annalena Baerbock (Grüne). Während sie von anderen Staaten nach wie vor verlangt, internationale Rechtsnormen und das internationale Rechtssystem anzuerkennen, hat sie sich selbst von Ihrem hehren Ziel einer „wertebasierten Außenpolitik“ weit entfernt.
Ein Oberrabbiner, der Recep Tayyip Erdoğan mag
In einem Interview gegenüber der Jüdischen Allgemeinen erklärte der jüdische Oberrabbiner der Türkei, Ishak Haleva, mit der türkischen Regierung „sehr gute Beziehungen“ zu unterhalten. Im Allgemeinen sei „die muslimische Welt judenfreundlicher als die christliche Welt“ und er möge Erdoğan.
Das Interview trifft die Deutschen bis ins Mark, wie man es an den unzähligen Kommentaren zum Interview erkennen kann. Jene, die mit der christlich-jüdischen Wertekultur schwadronierten, sind auf Schadenbegrenzung aus und unterstellen dem Oberrabbiner, einen Stuss erzählt zu haben. Andere sind zutiefst entsetzt über die Aussagen des Oberrabbiners.
Ein türkischer Präsident, der von einem Juden gemocht wird? Da fällt wieder ein deutsches Konstrukt in sich zusammen.
Prof. Dr. Burak Çopur fordert Verbot
Der deutsche Politikwissenschaftler Prof. Dr. Burak Çopur solidarisiert sich derzeit einerseits mit der völkisch-kurdischen Partei HDP, die in der Türkei mit einem Politikverbot konfrontiert wird. Anderseits fordert er ein Verbot einer nicht exakt definierbaren Bewegung namens Graue Wölfe in Deutschland.
Mit der Forderung trifft Burak Çopur aber nicht nur die sogenannten Grauen Wölfe, sondern all seine Sympathisanten innerhalb der türkischen Oppositionsparteien. Denn, der Mythos Grauen Wölfe spielt in der türkischen Geschichte parteiübergreifend eine außerordentliche Rolle. So sehr, dass der Oppositionschef der Republikanischen Volkspartei (CHP) sich von der besten Seite zeigt, um als solcher wahrgenommen zu werden.
Ist Çopur entgangen, dass der CHP-Vorsitzende Kemal Kılıçdaroğlu in seiner letzten Fraktionssitzung von „CHP Ülkücüleri“ (CHP Idealisten) sprach und dass er sich zum Idealismus der Grauen Wölfe (Bozkurt) bekannte? Wusste Çopur nicht, dass Kılıçdaroğlu bei den von ihm organisierten Treffen an verschiedenen Orten mit Bozkurt-Fahnen und einem Gemälde von Dschingis Khan posierte und dass er neben denen posierte, die das Bozkurt-Zeichen zeigten? Wusste Çopur nicht, dass Kılıçdaroğlu`s Hauptberater der ehemalige Vorsitzender der Idealistenvereine (Ülkü Ocakları) ist?
Offensichtlich weiß der Politikwissenschaftler Çopur so einiges nicht. Zum Beispiel, dass alljährlich zum Todestag die Witwe des Mitbegründers der Partei MHP, Alparslan Türkeş, Besuch von Führern aller türkischen Parteien erhält - mit Ausnahme der HDP, deren völkisch-kurdische Synthese in Konflikt geraten würde.
Çopur kann ja seiner Verbotsforderung Nachdruck verschaffen, in dem er den demnächst anberaumten Aufenthalt des Oppositionsführers Kemal Kılıçdaroğlu in Deutschland torpediert, der sich von seinen Anhängern als „Bozkurt-Kemal“ feiern lässt.
Eigentlich müsste bei Çopur damit ein Konstrukt zusammenbrechen, aber das wäre nicht im Sinne seines politischen Werdegangs. Von daher wird er das geflissentlich ausklammern und an seiner Blase festhalten.