Nach Wahldebakel: Jetzt kommt Bozkurt Kemal

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Der Herausforderer von Recep Tayyip Erdoğan, Oppositionschef Kemal Kılıçdaroğlu (CHP), will sich nach dem Wahldebakel ein neues Image verpassen. Offensichtlich hat sein Wahlkampfteam eine neue Idee aufgeschnappt, um den Chef in die Präsidentenresidenz in Beştepe zu katapultieren: ihm das Image eines Grauen Wolfes überstülpen.

Nur Tage nach den Wahlen hat Oppositionschef Kemal Kılıçdaroğlu, Präsidentschaftskandidat des Sechser-Bündnisses, wieder in das politische Tagesgeschäft gefunden. Erst weckte er mit einem beherzten Handschlag auf den Tisch die in Tränen aufgelöste und dahinsiechende Kernwählerschaft, um sich sodann ein neues Image zu verpassen.

Grauer Wolf Kemal KilicdarogluIn einem neuerlichen Videobeitrag auf Twitter, versprach Kılıçdaroğlu explizit an junge Wähler gerichtet, das Problem mit „10 Millionen importierte Flüchtlinge“ zu lösen, weil sie die Sicherheit der Türkei gefährden würden. Außerdem versprach Kılıçdaroğlu energisch, die Türkei nicht zur „russischen Einflusszone“ verkümmern zu lassen.

Weil neben dem Pakt mit dem politischen Arm der Terrororganisation PKK, ihm die Unterstützung durch die FETÖ im ersten Wahlgang viele Stimmen gekostet hatte und ihm FETÖ-nähe vorgeworfen wurde, erwähnte er erstmals die Putschisten zusammen mit den USA. Das ist schon mal ein Quantensprung für einen Langweiler, der zuvor noch von einem theatralischen Schauspiel des gescheiterten Putschversuchs sinnierte und die FETÖ lange Zeit nicht als Mitglieder einer Verschwörung gegen die türkische Armee beim Namen nannte. Die Terrororganisation PKK erwähnte er jedoch weiterhin nicht, obwohl diese nur aus drei Buchstaben besteht.

Damit verfolgt Kılıçdaroğlu nach dem ersten Wahlspektakel eine Strategie, um in der entscheidenden zweiten Wahlrunde gestärkt hervorzugehen. Die erste Strategie verfolgt nun die Absicht, die Stimmung gegen Flüchtlinge aufzuheizen. Die Zweite, die Stimmung gegen Russland zu fördern und die dritte, ohne dabei die FETÖ direkt zu kritisieren, mit einem Gegenvorwurf an die AKP gerichtet, den Fokus von sich abzulenken; nach dem Motto: „Ihr habt doch selber mit der FETÖ zusammengearbeitet.“

In all dieser Neupositionierung kommt die Terrororganisation PKK nach wie vor nicht vor. Ob es ihm zwölf Tage vor der Stichwahl gelingt, wieder ohne ein Funken Kritik an der Terrororganisation PKK, mit nationalistischen Tönen die Stimmen der Nationalisten rund um Sinan Oğan sowie die herumvagabundierende Wählerschaft für sich zu gewinnen? Schließlich fuhr der dritte Präsidentschaftskandidat bis auf das russische Thema dieselbe Strategie. Mit dem einzigen Unterschied, dass Oğan explizit auch die PKK mit einschloss.

Die Pleiten, Pech und Pannen wollen aber nicht von Kemal Kılıçdaroğlu ablassen und verfolgen ihn auch nach den Wahlen. Einen Tag nach den Wahlen kamen in Şırnak Bestler-Dereler bei einem Schusswechsel mit PKK-Terroristen drei Gendarmen ums Leben. Die Beisetzung der gefallenen Gendarmen fand am selben Tag wie dem Imagewechsel von Kılıçdaroğlu statt. Der Twitter-Auftritt von Kılıçdaroğlu blieb auch den Hinterbliebenen der getöteten Gendarmen nicht erspart, weshalb sie die Trauerbekundung des örtlichen CHP-Politbüros wie auch deren Trauergesteck harsch zurückwiesen und ein Machtwort sprachen.

Ob Kemal Kılıçdaroğlu es schafft, sich den Pelz eines Wolfs überzustülpen, ohne dabei erkannt zu werden? Für die harte Kernwählerschaft ist es jedenfalls uninteressant, was Kılıçdaroğlu sein will. Für diese Fanatiker ist Kılıçdaroğlu der einzige noch verbliebene Präsidentschaftskandidat, der Erdoğan vom Thron stoßen könnte. Alles andere interessiert diesen Kreis nicht. Dieser Glaube wurde nämlich jahrelang eingeimpft. Daher glaubt dieser Kreis daran, denn bekanntlich versetzt der Glaube Berge. Ob man damit die Sicht der wenigen Millionen möglichen Wählerstimmen ändern kann, während im Hintergrund Gendarmen und Soldaten von der PKK getötet, die FETÖ operative Wahlkampf-Manipulationen durchzieht und mitten drin die CHP genannt wird?