Eyal Zamir, Generalstabschef der israelischen Streitkräfte (IDF), warnte am vergangenen Donnerstag bei der Kabinettssitzung der Netanyahu-Regierung vor der „Todesfalle“ in Gaza. Experten horchten auf, während Sofahelden sich seitdem beim Gedanken über den Einmarsch der IDF in den Gazastreifen, die Hände reiben.
Militärische Desaster
Vor mehr als zwei Jahrzehnten geriet die US-Operation "Iraqi Freedom" zum Desaster. Weder wurden Anführer der irakischen Aufständischen gefasst, noch konnte eine nachhaltige Stabilität aufgebaut werden. Mit massiver Gewalt hatte die US-Armee damals mehrmals versucht, die Hochburg des sunnitischen Widerstandes im Irak zu bezwingen.
Kurz vor der Operation Phantom Fury im September 2004 hatte der scheidende US-General des US-Marine Corps, James T. Conway, der für den West-Irak zuständig war, das Pentagon und Washington eindringlich davor gewarnt, einen Angriff auf Militante in der instabilen Stadt Falludscha durchzuführen. Seine letzten Worte hierzu: "tut was ihr nicht sein lassen könnt!
Das Ergebnis war: noch mehr Hass und Terror, ein Desaster für die USA und ihren verbündeten Koalitionskräften.
Wird der Gazastreifen für Israel zum Inbegriff eines Krieges wie in Stalingrad, Guernica, Grosnyj oder Falludscha? Eine „Todesfalle“?
Eyal Zamir, Generalstabschef der israelischen Streitkräfte (IDF) erklärte vergangenen Donnerstag bei der sicherheitspolitischen Kabinettssitzung der Netanyahu-Regierung, dass die Idee des Kabinetts, den Gazastreifen vollumfänglich zu besetzen, einer Todesfalle gleichkäme. Er erklärte wütend auf die Blicke der Kabinettsminister hin: „Ich bin nicht bereit, das Leben von Geiseln zu riskieren."
Zamir zeigte sich entschlossen darin, die Position zu vertreten, eine vollständige Besetzung des Gazastreifens abzulehnen. Ihm zufolge „macht es einen großen Unterschied, ob wir 75 Prozent, die wir anstrebten, zu besetzen, da der Großteil der Bevölkerung nicht in dem von der IDF kontrollierten Gebiet lebt. Die Besetzung des gesamten Gebiets hat eine andere Bedeutung als zuvor. Damit befinden sich zwei Millionen Palästinenser in unserem Machtbereich, und das ist eine ganz andere Welt, was die Verantwortung und die Notwendigkeit angeht, dass die Streitkräfte sie verwalten und versorgen müssen.“
Wenn ein Generalstabschef wie Eyal Zamir von einer "Todesfalle" spricht, entspricht das exakt der Vorstellung von James T. Conway, der vor seinem Ausscheiden noch einen moralischen Schuss vor den Bug des Pentagon und Washington abgeben wollte. Damit wollte sich Conway absichern, davor im Nachhinein für die Konsequenzen politisch zur Verantwortung gezogen werden zu können.
Die Debatte während der Kabinettssitzung in Tel Aviv erinnerte zugleich an eine andere Militäroperation der IDF. Der „Operation Protective Edge“ im Jahr 2014. Damals sickerte eine Beurteilung über die Folgen einer Besetzung Gazas durch.
Die israelischen Minister hatten sich die Szenarien über die angestrebte Militäroperation ebenfalls vorkauen lassen, um den „Sturz des Hamas-Regimes“ zu erzwingen. Nach der Unterrichtung zogen die Minister jedoch ihre Stimmen vom eigentlichen Vorhaben abrupt zurück.
Bereits im Dezember 2011 hatten die Macher der operativen militärischen Szenarien die Meinung vertreten, dass die Zahlen von Todesopfern unter den Streitkräften, die nichtkalkulierbare Zeit der Besetzung des Gebiets und Jahre für deren Säuberung, enormen internationalen Schaden und astronomische Kosten verursachen würde.
Ist die IDF eigentlich bereit?
Und noch eine Hiobsbotschaft beschäftigt derzeit Israel: Eine überraschend anberaumte Übung der israelischen Streitkräfte am vergangenen Sonntag offenbarte, welche Schwierigkeiten die israelische Armee noch so zu meistern hat, sollte sie mit nichtkalkulierten Situationen konfrontiert werden. Bei der Übung wurde u. a. die Sorge laut, dass die Ostgrenze Israels nicht vollumfänglich geschützt, die Armee nicht gut genug ausgebildet sei, um etwaige Gegenvorstöße der "Terroristen" zu stoppen. Es fehlt aber auch an willigen Reservisten, die jetzt schon reis ausnehmen und das Land verlassen, und, die Zahl der Reservisten mit posttraumatischen Symptomen ist auffällig angestiegen,
Zamir: „Wir werden den Plan bestmöglich umsetzen"
Eyal Zamir ist notgedrungen mit bei der Partie, um den Gazastreifen nach Wünschen des Netanyahu-Kabinetts einzunehmen. Seiner Meinung nach werde es keine humanitäre Hilfe für die Millionen Gaza-Bewohner geben, die aus ihren Häusern vertrieben würden. Im Klartext: „Wenn Sie sich darauf einlassen“, erklärte der Stabschef vor der Entscheidung des Kabinetts, „dann werden die Geiseln von den Kriegszielen ausgeschlossen.“
Wie zerstritten man in der Frage des humanitären Völkerrechts ist, erkennt man daran, dass auf die Äußerung Zamirs, „In Gaza müssen Krankenhäuser gebaut werden, es gibt nicht genügend zivile Infrastruktur“, der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, erwiderte: „Wir müssen ihnen keine Krankenhäuser wie Hadassah und keine Häuser wie in Savyon bauen. Sie sind doch verwirrt.“ Und Verteidigungsminister Bezalel Smotrich entgegnete in der Diskussionsrunde: „Wenn wir uns auf ein Teilabkommen einlassen, kommt das einer Niederlage gleich."
Pyrrhussiege
Doch seit fast 80 Jahren erweisen sich die hehren Ziele, diese sogenannten „Siege“ als Pyrrhussiege. Jede einzelne Operation gräbt Israel in einen noch tieferen Abgrund aus Isolation, Bedrohung und Hass. Die Nakba von 1948 löste die anhaltende Flüchtlingskrise aus und legte den Grundstein für das Apartheidregime. Der Sieg von 1967 führte zu einer Besatzung, die den palästinensischen Widerstand in Westjordanland, im Gazastreifen und in der Welt bis heute anheizt. Der losgelöste Krieg seit Oktober 2023 artete in einen Völkermord aus, der Israel zu einem globalen Paria machte. Das spüren inzwischen auch Juden in aller Welt...