Gaza und das Existenzrecht

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Israelische Soldaten und Siedler genießen Immunität – ihnen ist Straffreiheit garantiert, wenn sie Palästinenser im Gaza in ihrem Sprachgebrauch in die „Hölle“ schicken, Journalisten und zahlreiche Doppelstaatler „versehentlich“ töten. Wer stellt diesen Tätern eigentlich die Immunität aus? USA und Deutschland.

Immer wenn Israel internationale Spannungen auslöst, weil es in Palästina gegen das Völkerrecht oder Kriegsrecht verstößt, hat das keine strafrechtlichen Konsequenzen - das geht seit 75 Jahren so. Deshalb ist es auch sinnlos, all die Verbrechen eines souveränen Staates, dessen Existenz bereits mit Anerkennung der Vereinten Nationen und durch Landraub gesichert ist, hier aufzuzählen. Die Anklageschriften würden sich gestapelt über den Nahen Osten meterhoch auftürmen.

Jüngstes Beispiel: Weil ein Geschäft Ziel einer intelligenten Bombe wird, müssen auch der Marktplatz eines Flüchtlingslagers in Gaza mitsamt den Flüchtlingen dran glauben. Weil man in jeder Flüchtlingsunterkunft die Hamas wittert, bleibt keines davon verschont, weder Schulen noch unter dem Schutz der UN stehende Gebäude.

Wenn ein Baptisten-Hospital in Gaza-City von was auch immer getroffen wird und Hunderte Todesopfer gezählt werden, kann Israel es gar nicht gewesen sein und wenn, hat es auch keine Auswirkungen; auch deshalb nicht, weil diese und viele weitere Krankenhäuser ja Tage zuvor von Israel zigmal ermahnt wurden, die Gebäuden zu räumen.

Wenn der drittältesten Kirche der Welt in Gaza die Mauern über die Zufluchtsuchenden hereinstürzen, dann nur, weil das Gebäude den statischen Ansprüchen der modernen Kriegführung nicht gewachsen war und die Hamas dran schuld ist, die Finanzhilfen der EU nicht richtig eingesetzt zu haben. Aber FDP-Mitglied Dirk Niebel hat schon eine Idee parat: Er fände es „suuuper“, wenn dort Parkplätze entstehen, sprich, man greift bereits den Siedlern bei der Planung ihrer Existenz vor.

Merkt man eigentlich nicht mehr, wie sich das beißt? Hamas, eine islamistische Terrortruppe, hat demnach christlichen Kirchen samt dem Klerus und christlichen Palästinensern im seit 2007 hermetisch abgeriegelten Gazastreifen nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, wie es „Juden“ außerhalb dessen vor 16 Tagen erfuhren?

Apropos vorgreifen: Wenn 16 Journalisten in 16 Tagen ums Leben kommen, dann nur, weil sie dem europäischen Stimmvieh zufolge zur falschen Zeit am falschen Ort standen, um über den Krieg zu berichten. Übrigens, im Ukraine-Krieg sind bisher rund ein Dutzend Medienschaffende getötet worden und jeder Einzelne hatte ein unüberhörbares Raunen in Europa hervorgerufen. Was stimmt also hier nicht?

In Gaza stieg die Zahl der bestätigten zivilen Opfer in 14 Tagen auf über 4.000 an, aber in Berlin hatte man dafür nicht einmal ein Achselzucken übrig. In der Ukraine meldete die UN nach anderthalb Jahren Krieg 10.000 zivile Opfer. Der Großteil waren Opfer von ukrainischem Beschuss des Donbass und Berlin kann seitdem nicht genug Geld und Waffen liefern, um der Ukraine bei der Rückeroberung von besetzten Gebieten unter die Arme zu greifen. Wo findet noch einmal ein Besatzung-, ein Vernichtungskrieg statt?

Der Besatzungskrieg, der Vernichtungskrieg wird in Gaza vollzogen, weshalb es auch nicht verwunderlich ist, wenn die israelische Regierung dem die Krone aufsetzt und über Landwirtschaftsminister Avi Dichter flapsig erklären lässt, um Gaza eine Pufferzone einrichten zu wollen, sprich das bereits annektierte palästinensische Gebiet auszuweiten.

Die israelische Regierung, israelische Soldaten und Siedler dürfen das alles, denn es geht schlicht und einfach um Landgewinn. Ist wie im Wilden Westen; wer die Macht hat, der darf indigene Völker verfolgen, vertreiben, in Reservate einpferchen und bei Widerstand töten. Danach kommen die Siedler, die ihr Land abstecken und bewirtschaften.

Das wird auch nach mehr als 200 Jahren in der sogenannten Pufferzone um Gaza genauso geplant, wie auch in den Golan-Höhen, die seit Jahren als Pufferzone zu Syrien annektiert sind. Im Westjordanland und in Jerusalem ist es bereits Gang und gebe, dass sich Siedler das nehmen, was ihnen beliebt und ihre Existenz sichert.

Und wer sichert den israelischen Siedlern das sogenannte Existenzrecht? Washington und vor allem Berlin. Im Überbietungswettbewerb, wer Israel am nächsten zur Seite steht und uneingeschränkt solidarisiert, kommen die Palästinenser darin überhaupt nicht vor. Sie sind mittlerweile vom israelischen Verteidigungsminister zu „Tieren“ degradiert worden, zu einer Herde eines minderwertigen Volkes, die man am besten mit freundlicher Empfehlung von Kanzler Scholz in die ägyptische Wüste treibt. Und jene palästinensischen Stimmen, die sich in Washington, London, Berlin oder Paris darüber echauffieren und zu Wort melden, müssen mit Einschränkungen ihrer Rechte rechnen und werden drakonisch bestraft; man entzieht ihnen regelrecht das Existenzrecht.

Die Welt schüttelt nur noch mit dem Kopf und hat die Nase davon endgültig dicke; von der Heuchelei und Doppelmoral Washingtons oder Berlins. Und das ist gut so. Die Solidarität mit Israel erleidet nicht nur in den USA und Europa Schlagseite, sondern und vor allem auch in Deutschland, je länger der Konflikt anhält; trotz der vielen Wortführer, die in sozialen Medien für Israel einstimmen und sich in Relativierung gegenseitig überbieten. Die Solidarität mit den Palästinensern wächst dagegen, Ungerechtigkeiten werden ausgesprochen, angeprangert.

Das Gerechtigkeitsempfinden ist eine menschliche evolutionäre Entwicklung, die einen wesentlichen Anteil daran hat, dass das Leben in einer Gemeinschaft organisiert wird. Wird in dieser Gemeinschaft Ungerechtigkeit festgestellt, setzt man sich, wie in diesem Fall, für die stets geschädigten Palästinenser ein. Das ist nämlich das wesentliche Merkmal dieses Konflikts: Das Existenzrecht Palästinas.

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