Hunde bellen, die Karawane zieht weiter

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Die Aufregung über die Anti-Terror-Operation der Türkei in Nordsyrien gegen die völkisch-kurdische PKK erregt die Gemüter in sozialen Medien. Merkwürdigerweise halten sich Bundesregierung wie Medien auffallend schmallippig. 

In Zusammenhang mit der aserbaidschanischen Region Bergkarabach gibt es eine gegensätzliche Haltung. Die Medien schießen aus allen Rohren, die sozialen Netzwerke überbieten sich bei ihrer Entrüstungsorgie, während die Scholz-Regierung es bei einem Fingerwink und der Äußerung der Besorgnis belässt.

Woher rührt diese gegensätzliche Haltung, diese janusköpfige Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland? Man kann zumindest behaupten, dass diese Außenpolitik einen fatalen Eindruck in anderen Ländern hinterlässt, der früher oder später auf die eigenen Füße fallen wird.

Spätestens seit Amtsantritt des Kabinetts unter Olaf Scholz (SPD) in der Ampelkoalition mit der FDP und den Grünen sowie nach der 24-stündigen Anti-Terror-Operation Aserbaidschans am 19. September hat sich diese moralische wie völkerrechtliche Janusköpfigkeit unter Beweis gestellt. Noch deutlicher wird es, wenn man die derzeitige Hysterie über die militärische Operation der Türkei in Nordsyrien gegen die völkisch-kurdische Terrororganisation PKK in sozialen Netzwerken sowie Medien betrachtet, wobei auch hier unterschiedliche Reaktionen zu erkennen sind.

Das hat einen einfachen Grund: Lobbyismus. Lobbyismus, dass in Jahrzehnten des Aktivismus in höchsten politischen Kreisen Eindruck schinden konnte, die private Meinung dieser Politiker formte. Nur, die private Meinung und Haltung einer Annalena Baerbock als Außenministerin hat wie das mediale Uninteresse oder gar exzessive Interesse keine Bedeutung, wenn regierungspolitische Interessen konterkariert werden und die Bundesregierung es bei einem "na na!" belässt oder sich erst gar nicht dazu äußert.

Noch deutlicher kann man das in Bezug zur EU oder Frankreich erkennen. In einer Fragerunde des EU-Parlaments äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zur Anti-Terror-Operation Aserbaidschans und bezeichnete die Operation als „absolut inakzeptabel". Konsequenzen kündigte auch er allerdings nicht an, während das EU-Parlament Aserbaidschan als Schuldigen darstellte. Offensichtlich hatte sich das EU-Parlament mit der mehr als 30-jährigen Besatzungsmacht Armenien in Bergkarabach angefreundet und den Völkerrechtsbruch geschluckt.

Dieselbe Kröte hatte die französische Außenministerin Catherine Colonna geschluckt, um in Jerewan sich einen Fauxpas zu leisten. Colonna hatte in einem X-Beitrag (ehemals Twitter) ein Bild des auf türkischem Territorium stehenden Berges Ararat gepostet, in der sie meinte, jetzt in Jerewan angekommen zu sein. Eventuell schuldete die Madame der armenischen Diaspora in Frankreich diesen Beitrag angesichts des Verlustes eines besetzt gehaltenen aserbaidschanischen Territoriums? Colonna`s Politkarriere scheint auf der armenischen Diaspora aufgebaut zu sein, denn, dass französische Außenministerium wie auch die Regierung mussten sich mit diesem Fehltritt der Madame Colonna gegenüber Aserbaidschan, vor allem der Türkei erklären.

Die bittere Pille mussten aber alle schlucken, weshalb ja das Geschreie zumindest in Fragen zur Region Bergkarabach groß ist. Deshalb wirken die europäischen Regierungen so blass, haben sich geradezu in Deckung begeben. Zu sehr hatte sich die politische wie mediale Landschaft in Europa von der armenischen Diaspora wie auch den politischen Führern und Sympathisanten der PKK angefreundet, deren Sicht verinnerlicht. Das offenbart ja die gegenwärtige unterschiedle janusköpfige Haltung in der Außenpolitik.

Ist auch verständlich. Jahrzehnte konnten Lobbyisten das Interesse der Medien erhaschen, Politiker konnten so ihre Karriere aufbauen, was zu einer moralischen Bringschuld führte. Heute ernten Lobbyisten die Früchte dieser Arbeit, in dem sie die Medien wie auch Politiker aufhetzen bzw. dazu drängen, etwas zu unternehmen. Medien reagieren entsprechend, weil sie jahrzehntelang ein Dogma mitaufgebaut haben und die Gesellschaft damit aufzogen. 

Politiker, Medien und die Gesellschaft bleiben diesen Dogmen so lange treu, wie es ins eigene Weltbild passt, aber die Realität überholt sie irgendwann. Dann, wenn die Außenpolitik der Bundesregierung mit der Realität konfrontiert wird und Völkerrecht verbindlich eingehalten werden muss, steht das nicht mehr zu Debatte.

Deshalb schickt sich die Bundesregierung nicht an, Aserbaidschan vor den Kopf zu stoßen, weil sie sich damit völkerrechtlich betrachtet eine blutige Nase einholen würde. Deshalb mault die Bundesregierung zwar über die Anti-Terror-Operation der Türkei in Nordsyrien, ist aber völkerrechtlich betrachtet zum Zuschauen verdammt.

Das heißt sprichwörtlich, die Hunde bellen, die Karawane zieht aber unbeeindruckt weiter. So eine Karawane hält nur dann an, wenn eine andere Karawane den Weg kreuzt. Auf deutsch: Das Engagement der Lobbyisten und Sympathisanten mag auf den ersten Blick zwar Früchte tragen, aber wie sagte der verstorbene Bundeskanzler Helmut Kohl während einer Pressekonferenz am 31. August 1984: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“