Die Reaktionen auf einen Auftritt eines türkischen AKP-Abgeordneten in Neuss zeigen, dass die autoritären Disziplinierungsfantasien mancher Haustürken und Journalisten die türkische Wirklichkeit über die PKK sowie der Gülen-Sekte völlig ausklammern. Der Grund ist simpel. Man nimmt sich so das Recht, mit Rassismus und Hass zu argumentieren. Das wurde bereits kurz nach dem gescheiterten Putschversuch sichtbar, wurde mit dem jüngsten Anschlag der PKK in Mersin zementiert. Rassismus und Hass spielten dabei eine besondere Rolle, aber in Deutschland interessierte sich dafür nicht wirklich jemand.
Erinnern Sie sich noch an den gescheiterten Putschversuch am 16. Juli 2016 und an die verhaltene Reaktion Deutschlands? Oder an die Aussage des Chefs des Bundesnachrichtendienstes (BND) Bruno Kahl, der 2017 erklärte, dass er nicht überzeugt sei, dass die Gülen-Bewegung beim Putschversuch eine Rolle gespielt hätte? Oder an Adil Öksüz, der Blackbox der Gülen-Sekte, der nach Deutschland flüchtete, in Berlin ausfindig gemacht und nach Bekanntwerden seines Aufenthaltsortes von Personenschützern des Berliner Staatsschutzes an einen sicheren Ort gebracht wurde?
Kann sich jemand an ein einziges deutliches Signal entsinnen, wo ein deutscher Politiker sich öffentlich zu den letzten Terroranschlägen der PKK äußerte? Welche alternativen Erklärungsmuster beherrschte nach dem Selbstmordanschlag in Mersin die Debatten in Deutschland? Es gab keine Bekundung, geschweige denn Solidarität. Es wurde sogar nach alternativen Möglichkeiten gefahndet, Theorien wurden aufgestellt, die mit der PKK nichts zu tun hatten.
Reden wir uns Türken nicht ein, Deutschland oder Europa gehe es tatsächlich um Frieden, Freiheit oder Demokratie, weshalb ihre Anteilnahme verhalten ausfallen würde. Um türkische Opfer trauerte Deutschland gar nicht, erst recht kein Haustürke oder Journalist, deren Agenden der Linie der deutschen Außenpolitik folgen. Das sitzt tief in der türkischen Volksseele, weil man das seit Jahren, ja sogar Jahrzehnten mit an sieht.
Deshalb sind diese Gradwanderer in unseren Augen notorische Leugner der türkischen Realität, die weder die PKK und dessen Terrorismus in der Türkei noch in Deutschland zur Aussprache bringen, noch deren Sympathisanten und Anhänger auf den Füßen stehen. Jetzt beackern sie ein weiteres Feld, bei der die Gülen-Sekte höchstwahrscheinlich aus dem Grinsen nicht mehr rauskommt, weil die autoritären Disziplinierungsfantasien dieser Burschen ihr Betätigungsfeld erweitert, statt einzugrenzen.
Eingegrenzt, in ihrem Aktionsradius eingeschränkt, werden dafür Vereine und Verbände, die unter dem Label „Türkische“ firmieren, und nicht „Dialog“ oder „Kurdische“ heißen. Nicht dass man gegen Dialog oder Kurden etwas hätte - auch der AKP-Abgeordnete hatte das mit keiner Silbe erwähnt -, aber sehr wohl gegen das, was hinter diesen Labeln steht. Einmal die Gülen-Sekte und zum anderen die PKK.
Muss man sich wundern, dass diese Personenkreise jedes Wort auf die Waagschale werfen und unentwegt von Rassismus und Hass der Türken schwafeln, während sie die Aktivisten, Sympathisanten und Anhänger als Demokraten, Antirassisten und entschiedenen Gegnern von Hass anpreisen?
Die Exklusivität, die diese Burschen für sich in Anspruch nehmen, ist der Kern des Übels, die die Sympathisanten und Anhänger der PKK wie auch Gülen-Sekte ebenfalls als Argument vor sich hertragen, um die Türkei nach ihrem Ebenbild neu erschaffen zu wollen. Notfalls mit Gewalt und Verbrechen, was ja in der Konsequenz stets zum Tragen kommt.
Da haben jene, die diese Exklusivität nicht teilen, von vornherein verloren: ihr politisches Recht, wenn es sein muss auch ihr Lebensrecht! Hat man in den unzähligen Terroranschlägen gegen Türken und Kurden doch oft genug vorgeführt bekommen und der Putschversuch und der Weg bis dahin, hat uns alle daran schmerzlich erinnert, wie wehrhaft die Demokratie doch sein muss. Auch und gerade mit scharfen Worten, damit niemand mehr auf die Schnapsidee kommt, das demokratische Recht des Volkes in Abrede zu stellen oder mit Gewalt und Verbrechen zu brechen.
In diesem Sinne hat der AKP-Abgeordnete Mustafa Açıkgöz im Sinne der türkischen Bevölkerung gesprochen, die es nicht hinnehmen wollen, dass der deutsche Staat Verdächtige und Verbrechern Schutz gewährt und nicht willens ist, diese nach geltenden internationalen Normen an die türkische Justiz zu überstellen.
Es mag für diese Kreise, die sich derzeit über den Tonfall eines Abgeordneten echauffieren, der explizit von der PKK und der FETÖ sprach, einen juristischen Straftatbestand erfüllen - was deutsche Gerichte erst einmal feststellen müssen, aber in der Türkei ist dieser Tonfall gegenüber Terrororganisationen gang und gäbe, vor allem während des Wahlkampffiebers. Wenn man sich schon am Tonfall oder an den Äußerungen stört und Terrorismus sowie Putschversuch und dessen Folgen beständig ausklammert, dann doch bitte so, dass es nicht jeder sofort erkennen kann. Sonst macht man sich in den Augen der hiesigen Türken nur noch lächerlich, gar unglaubwürdig.