Türkei: Zwei Mitarbeiter der Zeitung "Nokta" in Haft

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Die umstrittene Zeitschrift "Nokta" steht wieder im Mittelpunkt, nachdem es nach einer langen Pause erst seit Mai 2015 erscheint.

Zwei Mitarbeiter der türkischen Zeitschrift "Nokta", die heute dem Haftrichter vorgeführt wurden, sind in Haft. Dem Verlagsdirektor Cevheri Güven und Chefredakteur Murat Capan wirft die Staatsanwaltschaft Verbreitung von Propaganda für eine Terrororganisation vor. Kurz vor erscheinen der Wochenausgabe mit dem Titelbild des Staatspräsidenten Erdogan, der im Vordergrund eines Sarges mit einem gefallenen türkischen Soldaten ein Selfie schießt, beschlagnahmte die Polizei die Ausgabe und verhaftete den Verlagsdirektor und Chefredakteur der Zeitschrift Nokta. 

Wie aus Berichten der AA hervorgeht, soll die Entscheidung zur Titelseite laut einer Aussage des Verlagsdirektors gegenüber dem ermittelnden Staatsanwalt vor der Wahl mitte September getroffen worden und in Zusammenhang mit einer danach zu erwarteten Koalition zustande gekommen sein. Güven habe weiter erklärt, man habe die Titelseite aufgrund der kursierenden Meldungen gewählt, wonach eine Regierung alleine durch die AKP zu einem Chaos führen werde. Dahingehend habe man sich dann entschieden, die 24. Auflage mit dem entsprechend passenden Titelbild zu wählen, da Erdogan für seinen autoritären Regierungsstil innerhalb der Partei in der Türkei bekannt sei.

Die Zeitschrift Nokta wurde bereits früher wegen diversen Veröffentlichungen Ziel von Polizei und Staatsanwaltschaft. 1982 erschien die Zeitschrift zum ersten mal, wurde dann aber mehrmals verkauft, bis sie 2006 von Ayhan Durgun übernommen wurde. 2007 stand die Zeitschrift in Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Tagebuches eines Generals der Armee im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Darin führte der General aus, er habe einen Putsch geplant, aber nach einer Unterredung mit dem damaligen Generalstabschef den Plan fallen gelassen. 

Nach der Veröffentlichung wurde das Verlagshaus am 13. April 2007 von der Polizei durchsucht. Es kam infolge dessen zu den Prozessen "Balyoz" und "Ergenekon", die dazu führten, dass die hälfte der Generalität und hunderte Offiziere verhaftet wurden. Erst jüngst wurden die letzten Untersuchungshäftlinge in den Fällen "Ergenekon" und "Balyoz" aus der Sonderhaftanstalt Silivri entlassen. Laut Gericht seien etliche Beweismittel gefälscht, nicht verwendbar oder nicht zuzuordnen sein. Die Zeitschrift erschien nach diesem Vorfall noch bis 2008, wurde dann aber geschlossen. Oppositionelle bezeichneten die Zeitschrift damals als Sprachrohr der Gülen-Bewegung, dem in diesem Zusammenhang der Kahlschlag der Armee, somit die Aufhebung der letzten Bastion des Laizismus nachgesagt wurde. Am 18. Mai 2015 wurde die Zeitschrift von einem Geschäftsmann aus Frankreich aufgekauft, dem eine Nähe zu Gülen nachgesagt wird.