Der Erfolg der Schwedendemokraten könnte den Weg für einen Machtwechsel in Schweden ebnen. Was hat die Wähler bewogen, so zu wählen? Das politische Versagen, die mit Aufrufen zur Eigenverantwortung der Bürger überschattet wurde!
Zwölf Jahre sind seit dem Einzug der „Die Schwedendemokraten“ (SD) in den Reichstag vergangen und am vergangenen Wochenende wurde nun nach dem Kalender gewählt. Die rechtspopulistische Partei wird nach vorläufiger Auszählung zur zweitstärksten Kraft im schwedischen Reichstag. Die Gründe sind vielfältig und jeder für sich allein prekär.
Seit dem 30. November 2021 bilden die Sozialdemokraten (S) eine Minderheitsregierung unter Führung von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Zuvor wurde dieselbe Regierung mit einem Misstrauensvotum gestürzt und mit Mühe und Not wieder zusammengesetzt. Eine weitere folgte in diesem Jahr, konnte aber geradeso abgewendet werden.
Andersson stand die letzte Zeit vor allem wegen der gestiegenen Bandenkriminalität in der Kritik. Zudem rückte noch das Nein! der Türkei in Bezug zum NATO-Beitritt in den Vordergrund. Alles Punkte, die mit dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zusammenhängen. In beiden Punkten konnte Andersson keine adäquaten Lösungen unterbreiten, eierte um die Probleme herum.
Das hat sich gerächt. In den ländlichen Regionen verloren die Sozialdemokraten Stimmen, während sie in den Ballungszentren ihre Stimmen halten konnten. Das Paradoxe daran ist, dass die Bandenkriminalität vor allem in den Ballungszentren grassiert und allein in diesem Jahr über 50 Todesopfer gefordert hat, darunter auch unbeteiligte Frauen oder Kinder. Dennoch setzten sich die S trotz der populistischen Wahlkampfparolen gegenüber der SD durch und konnten ihre Stimmen daher halten.
In den ländlichen Gebieten waren die Wähler offensichtlich über die Gewaltexzessen in den Großstädten eher verängstigt als die Städter, derart, dass die Wählergunst die SD beflügelte. Aber das ist auch nur ein Aspekt von vielen, die den SD zuspielte.
Das politische Versagen der Regierung wurde unter Ministerpräsident Andersson kaschiert, in dem man die Verantwortung auf den Einzelnen übertrug. Man dachte offensichtlich, die Bürger zu Individualisten zu erziehen, wenn man sie oft genug daran erinnert.
Die Gesundheitsvorsorge während der Pandemie wurde den Bürgern zur Auswahl gestellt. „Abstand halten“ oder „zu Hause bleiben“; unter diesem Motto setzte man die Bürger vor die Wahl, damit sie lernen, mit der Pandemie selbst umzugehen oder einzugehen. Jeder war quasi für sich und die Mitmenschen selbst verantwortlich. Die Regierung sah nur dem Treiben zu und schimpfte drein, wenn man im Vergleich zu Europa oder der übrigen Welt schlechter dastand.
Bei der Energie- oder Klimawende erklärte man den Bürgern, aufzuhören zu fliegen oder stattdessen chitin- und proteinhaltige Käfer zu essen. In der Bildungspolitik gab man entsprechend buchseitendicke Speisekarten heraus, in der Minderjährige darüber entscheiden konnten, was sie an gesunden und ungesunden Essen in der Kantine wählen können. Die Qual der Wahl entschied darüber, ob man richtig lag oder selbst schuld daran ist, den Ranzen vorne statt hinten zu tragen.
Woher ich das weiß? Tja, Türken sind überall oder wie der Laze zu sagen pflegt: „Für uns ist überall Trabzon!“
Und zuletzt übertrug man dieselbe Verantwortung der Türkei, um in die NATO aufgenommen zu werden. Die schwedische Regierung dachte sich offenbar, auch der Türkei denselben Ball zuwerfen zu können, in dem sie schimpft. Das tat man genauso beherzt gegen die Türkei, wie man es bei den eigenen Bürgern gewohnt war. Nur, die Türkei ist nun mal nicht schwedisch und den Kampf gegen Terrorismus führt man auch nicht bei Elchsafaris mit Hafertalern und Hygge-Tee im Gepäck. Man lädt sie auch nicht ins Land ein, damit sie im Parlament ihren queren Stuss vom pösen Türken verzapfen, der wahllos Kurden verfolge.
Das waren politische Konzepte der Sozialdemokraten, die die Last der Schuld auf subtile, aber effektive Weise auf andere verlagerten. Die schwedischen Wähler honorierten das am vergangenen Wochenende. Die Türkei wird es erst nach der Legislaturpause. Mal schauen, wie sich die neuzubildende Regierungskoalition diesmal anstellen wird, wenn es um die Frage der inneren und äußeren Sicherheit geht. Individualismus ist jedenfalls Gift für ein Verteidigungsbündnis; das werden die Schweden noch schmerzlich feststellen müssen.