NATO-Beitritt - Schweden muss liefern

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Die sozialdemokratische schwedische Regierung unter Magdalena Andersson hat mit der Option der Wiederaufnahme von Waffenexporten an die Türkei, ein Fuß in die Tür gesetzt. In der aktualisierten Presseerklärung brachte Außenministerin Ann Linde Formulierungen hervor, die Ankara prophezeien, von einer schwedischen und finnischen NATO-Mitgliedschaft zu profitieren. Reicht das?

Die schwedische Außenministerin Magdalena Andersson wies bei der Pressekonferenz mit Jens Stoltenberg am Montag darauf hin, dass sie die Bedenken Ankaras sehr ernst nehme - u.a. mit Hinweis auf das aktualisierte schwedische Antiterrorgesetz, das bald in Kraft treten werde. Aber Hinweise allein reichen nicht. Verkompliziert wird das ganze durch die Propaganda der völkisch-kurdischen PKK, die in sozialen Netzwerken die schwedische Regierung in heikle Situationen bringen.

Wenige Tage zuvor hatten Social-Media-Konten der terroristischen völkisch-kurdischen YPG/PKK Bilder von Projektion geteilt, in denen ihre Symbole und die Konterfeis ihrer Führer auf namhaften Gebäuden in der Hauptstadt Stockholm zu sehen waren. Selbstverständlich konnte diese Propaganda vor Ankara nicht verheimlicht werden. Prompt hagelte es Kritik aus Ankara an die schwedische Regierung. Außenministerin Ann Linde konnte angesichts der prekären Lage und der stockenden Verhandlungen mit Ankara, nur mit einer beherzten Distanzierung vor der PKK, die Situation einigermaßen beherrschen.

Was einmal in den Köpfen der Türken ist - dass die PKK ein europäisches Land zur Geisel genommen hat - wird durch solche Bilder, ob nun mit Photoshop nachgeholfen oder tatsächlich vor Ort projiziert, nur noch fester verankert. Es hilft offensichtlich nicht, dass die schwedische Außenministerin beteuert, nichts damit zu tun zu haben, Terror in aller Form zu verurteilen. Die Türkei blockiert weiterhin den schwedischen und den finnischen NATO-Beitrittsantrag.

Die Erdoğan-Regierung fordert konkrete Vorschläge, was die skandinavischen Länder zu den Bedenken der Türkei hinsichtlich des Terrorismus tun wollen, bevor sie überhaupt bereit ist, sich mit schwedischen Amtskollegen direkt zu treffen. Bei diesen Forderungen, die zwar Schweden und Finnland betreffen, hält sich der Ton gegenüber dem kleineren Finnland merklich leiser.

Finnland ist für Ankara höchstwahrscheinlich nicht das Problem an sich, aber dennoch mit betroffen. Nach der kompletten politischen Wende in Bezug zur veränderten Sicherheitspolitik des Landes, die nach dem Ukraine-Krieg mit der bewusst gelenkten öffentlichen Wahrnehmung vollzogen wurde, müssen die armen Finnen nun warten, bis das Nachbarland ihre chaotische Politik in Ordnung bringt. Angesichts der Zerstrittenheit inmitten eines schwelenden Brandes in unmittelbarer Nähe, muss es für schwedische Beobachter peinlich sein und wird mit jedem Tag peinlicher, wie sich das schwedische Parlament derweil selbst zerfleischt.

Denn, das schwedische Parlament (Reichstag) befindet sich mit der unabhängigen kurdischstämmigen Amineh Kakabaveh in einer Sackgasse, kann nicht zurück und kommt auch nicht entscheidend vorwärts. Diesmal fordert Amineh Kakabaveh nämlich, dass Schweden sein De-facto-Waffenembargo gegen die Türkei aufrechterhält, um den zusätzlichen Haushaltsetat der Regierung durchzuwinken. Kakabaveh sorgte bereits vergangene Woche dafür, dass der Justizminister seinen Job behalten darf und Schweden keine Regierungskrise riskiert. Amineh Kakabaveh kann mit ihrer einzelnen Stimme quasi über die Zukunft des Landes allein entscheiden und die sozialdemokratische Regierung ist ihr bislang vollkommen ausgeliefert.

Es ist völlig verständlich, dass die türkische Regierung, aber auch ein Teil der schwedischen Wähler, die die abrupte politische Kehrtwende der Sozialdemokraten in Bezug zur NATO-Hinwendung mitgemacht haben, nun Taten sehen wollen. Die Verantwortung dafür, dass Schweden sich in einer Sackgasse manövriert hat, liegt vollständig bei der schwedischen Regierung. Die sozialdemokratische Partei hatte sich mit einer bizarren Vereinbarung mit der unabhängigen Parlamentarierin Kakababaveh die Regierungsmehrheit gesichert, die im Gegenzug unter anderem die Unterstützung der syrischen Splittergruppe der PKK - der YPG - sowie die Unterstützung lokaler Selbstverwaltungsgebiete der PYD in Nordsyrien in der Tasche hatte.

Als die schwedischen Sozialdemokraten unter der Premierministerin Magdalena Andersson Ende vergangenen Jahres an die Macht kamen, zählte noch das Credo, das Beste für Schweden zu wollen. Angesichts der wachsenden Bedrohung durch Russland und der entsprechend in der öffentlichen Meinung kolportierten drängenden Gefahrenabwehr mit einer NATO-Mitgliedschaft, wird es jetzt Zeit, dass die schwedische Regierung das Zeitfenster nicht verpasst und ihrer Verantwortung gerecht wird.

Nach Ansicht der finnischen Premierministerin Sanna Marin besteht die Gefahr, dass die Situation eingefroren wird, wenn die Probleme nicht bis zum NATO-Gipfel in Madrid in der nächsten Woche gelöst werden, was durchaus denkbar ist. Ähnlich wie das Engagement des Westens gegenüber der Ukraine mit der Zeit abnimmt, je länger der Krieg dauert, wird auch Ankara und damit die NATO wahrscheinlich die Geduld mit einem in politischen Querelen geratenen Kandidaten verlieren.

Die schwedische Regierung muss die Verantwortung dafür übernehmen, dass das Chaos im Parlament wie auch die absurde Macht von Amineh Kakabaveh ein Ende nimmt. Eine Möglichkeit wäre, dass die Premierministerin Andersson ihr Credo umsetzt und die Verantwortung für den NATO-Prozess übernimmt, indem sie nächste Woche für den zusätzlichen Haushaltsetat des Parlaments stimmt. Auf diese Weise wird Kakabavehs Einfluss neutralisiert und Schweden wieder als halbwegs funktionierende Demokratie präsentiert.

Diese Politik würde ohne Kakabaveh gehen und die Premierministerin würde damit zeigen, dass sie „immer das Beste für Schweden tut“. In diesem Zusammenhang während der Haushaltsabstimmung sollte die Regierung auch bekannt geben, dass das Kakabaveh-Abkommen nicht mehr gültig ist und die Waffenexporte in die Türkei wieder aufgenommen werden. Das wäre zumindest ein kleines positives Signal an Ankara.