Der schwedische Botschafter der Türkei würde es erfreuen, wenn er den Auslieferungsantrag für die Reichstagsabgeordnete Amineh Kakabaveh an das schwedische Außenministerium übergeben könnte.
Der NATO-Antrag der Finnen und Schweden hängt weiterhin in der Luft. Das NATO-Mitglied Türkei hatte zuerst Bedenken über den Beitritt der beiden skandinavischen Länder geäußert. Seit Samstag ist klar, dass die Türkei Forderungen gegenüber Finnland und Schweden aufgestellt hat, die es zu erfüllen gelte.
Türkischer Botschafter würde Antrag mit Freude übergeben
Wie ernst das von Ankara oder seinen Vertretern im Ausland aufgefasst wird, konnte man bereits am Freitag erahnen. Da erklärte der türkische Botschafter von Schweden, Hakkı Emre Yunt, dass er es mit Freude tun würde, den Auslieferungsantrag der Türkei für die Reichstagsabgeordnete Amineh Kakabaveh persönlich dem schwedischen Außenministerium zu überreichen.
Kakabaveh ist derzeit die parteilose - noch gilt sie als Vertreterin der Linken Partei -kurdischstämmige Reichstagsabgeordnete Schwedens. Ein Deal von Amineh Kakabaveh mit der designierten sozialdemokratischen Regierung im Spätherbst 2021 ist dabei ein gewisses Problem von vielen, mit der Ankara nicht einverstanden ist.
Kakabahev hatte durchgesetzt, dass die schwedische Regierung unter der Premierministerin Magdalena Andersson der völkisch-kurdischen Partei PYD in Syrien Hilfen in Millionenhöhe in Aussicht stellt und politische Kontakte knüpft. Noch im Januar 2022 traf sich dann die schwedische Außenministerin Ann Linde mit Vertretern und Vertreterinnen der PYD, deren bewaffneten Arm YPG sowie ehemaligen Kadermitgliedern der PKK. Die PYD selbst wurde auf Beschluss der Terrororganisation PKK 2003 gegründet.
Der türkische Botschafter in Stockholm, Yunt, erklärte des Weiteren, dass die Türkei von der schwedischen Regierung fordere, ihre Verbindungen zur PKK abbricht. Laut diversen schwedischen Medienberichten ging der türkische Botschafter in seinen Anschuldigungen zu Verbindungen der schwedischen Regierung mit der völkisch-kurdischen PKK sehr weit.
In einem Bericht der schwedischen Mediengruppe TT erklärte Yunt, dass die PKK Verbindungen zu bestimmten Mitgliedern des Reichstags habe, die ständig gegen die Türkei arbeiten würden. Sie würden die schwedische Regierung unter Druck setzen, um eine negative Haltung gegenüber der Türkei einzunehmen und Terrororganisationen finanziell wie politisch zu unterstützen, erklärte Emre Yunt weiter.
Die Zusammenarbeit zwischen Amineh Kakabaveh sowie der sozialdemokratischen Regierung Schwedens nannte Yunt als „undemokratisch“, weil diese Regierung erpresst worden sei. Damit Ankara einlenken könne, müsse die schwedische Regierung konkrete Maßnahmen umsetzen.
Laut Yunt habe Ankara die Auslieferung von rund 30 Personen gefordert. Dabei handelt es sich laut Botschafter Yunt um Anhänger der PKK und der Gülen-Bewegung. Manche von ihnen seien nach Angaben des Botschafters schwedische Staatsbürger, die Vielzahl aber habe entweder einen Asylstatus oder ein Aufenthaltserlaubnis.
Hakki Emre Yunt wirft mehreren schwedischen Abgeordneten Verbindungen zur PKK vor, ohne konkrete Namen zu nennen. Er weist grob darauf hin, dass die Linkspartei beispielsweise im Reichstag so auftrete, als würde sie hauptsächlich die PKK vertreten. Auf die Frage, ob er es mit Kakabaveh ernst meine, erklärte Yunt im Nachhinein, er wäre froh darüber, aber es gebe derzeit keinen Auslieferungsantrag der Türkei. Ihr Name stehe auch nicht in einer Liste.
Schwedischer Diplomat a.D.: Die Lage ist festgefahren
Letzte Woche erklärte Yunt noch, Schweden brauche sich erst gar nicht darum bemühen, der NATO beizutreten. Für Michael Sahlin, einem ehemaligem schwedischen Botschafter in der Türkei, zeigen die Äußerungen von Yunt, dass die Lage ziemlich festgefahren sei. Sahlin, der unter anderem für das internationale Friedensforschungsinstitut Sipri in der Türkei tätig ist, erklärte, er sei überrascht, dass der Botschafter so weit gehe, einen Abgeordneten namentlich zu erwähnen, den er ausgeliefert wissen will.
„Ich denke, dass dies die Lage noch schwieriger macht, sich vorzustellen, dass die schwedische Regierung in einigen wichtigen Fragen Ankara entgegenkommt. Es wird unmöglich sein, wenn ein Botschafter solche zusätzlichen Anforderung stelle, wie es Yunt getan hat. Dann treten wirklich hohe Hürden auf, die man nicht mehr nehmen kann."
Sahlin erklärte des Weiteren, dass das Bewusstsein für den Konflikt, in der Türkei größer geworden ist als er gedacht hätte. Der Druck in den türkischen Medien auf die Politik habe zugenommen und das zeige, dass die Gesellschaft noch mehr fordere, als nur das, was derzeit bekannt sei. Es wäre im schwedischen Interesse, die Wogen zu glätten, um die Menschen in der Türkei zu erreichen und die Spirale nicht weiter anzutreiben. Die Lösung für die Zukunft sei unter anderem „kreative Diplomatie“, glaubt Sahlin.
Schwedisches Außenministerium nicht erreichbar
In Schweden hat der Deal zwischen Amineh Kakabaveh und den Sozialdemokraten erste Konsequenzen. Die schwedische Außenministerin Ann Linde ist offensichtlich wegen der Forderungen der Türkei vorläufig kaltgestellt worden. Schwedische Medien, die um einen Kommentar gebeten haben oder ein Interview führen wollen, werden verweigert oder abgewiesen. Auch das Außenministerium will sich nicht weiter dazu äußern.
Linde war in der Vergangenheit mehrmals vom türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu aufgrund der Haltung Schwedens gegenüber der PKK kritisiert worden. Offensichtlich hat die schwedische Regierung Ann Linde aufgrund der momentanen Lage aus dem Schussfeld genommen. Seit Tagen führt die Premierministerin Andersson die Gespräche mit Ankara direkt.
USA: Wir kennen uns nicht
Die USA zeigen sich trotz des gordischen Knotens zuversichtlich, dass die Türkei den Beitrittsantrag Schwedens und Finnlands zur NATO letztendlich akzeptieren wird. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, weist jedoch darauf hin, dass es keine amerikanische Angelegenheit sei, die es zu lösen gelte.
Die USA könnten Druck auf Ankara ausüben, aber laut dem Sprecher des US-Außenministeriums, handele es sich nicht um eine bilaterale Angelegenheit zwischen Washington und Ankara. Das Problem müssten die Länder untereinander klären, so Price.