Netanjahu und der IGH - Erdoğan liefert Aufhänger

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Politik, Medien und Stadthalter in Deutschland sind angesichts des IGH-Gutachtens zur israelischen Siedlungs- und Annexionspolitik irgendwo zwischen Schockstarre und demonstrativer Ignoranz; da liefert Recep Tayyip Erdoğan, der Präsident der Türkei, diesen Burschen unverhofft den nächsten Aufhänger...

Auf den ersten Blick sprach Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vergangene Woche Klartext über das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) im niederländischen Den Haag. Wenn man allerdings genauer hinhört, fällt auf, dass Baerbock nur auf jene Passagen des Gutachtens Bezug nimmt, die ohnehin offiziell vertretene Position der Bundesregierung sind: nämlich dass die Siedlungspolitik Israels völkerrechtswidrig ist und ein Hindernis für eine Zwei-Staaten-Lösung darstellt.

Das ist nicht Klartext, das ist einfach nur feige. Wenn man bei Google News die Deutschen Medien nach dem Gutachten abfragt, bekommt man ebenfalls zu 99 % Schlagzeilen, die auf die Illegalität der israelischen Siedlungspolitik Bezug nehmen. Ganz so, als hätten Medien und Politik eine Sprachregelung, einen Konsens betreffs des Wording und des Framing.

Dieses Gutachten hat weltweit für Aufsehen erregt. Und zwar nicht, weil es nochmals auf traurig-triviales Allgemeinwissen hingewiesen hat - nämlich die besagte Völkerrechtswidrigkeit der Siedlungspolitik - sondern weil es die Konsequenzen dieser Politik begutachtet hat: schleichende Annexion, Vertreibung und der Verstoß gegen das Rassismus- und Apartheidsverbot. Und die Richter sind eben deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass diese Besatzung mittlerweile zur Gänze völkerrechtswidrig ist. Das, liebe Baerbock und liebe Medien ist die eigentliche Bombe, die dieses Gutachten in sich birgt.

Die Richter fordern nicht nur Israel, sondern die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, dem endlich Einhalt zu gebieten und die illegale Besatzung zu beenden.

Also nix mehr mit "Verhandlungslösung zwischen Israel und den Palästinensern" - so die Lieblingsphrase aller Bundesregierungen in den letzten Jahrzehnten, wenn es darum ging, Israel den Rücken im rechtsfreien Separee frei zu halten, wo man dem palästinensischem Zwerg mit vorgehaltener Waffe versucht hat, die Bedingungen der eigenen Vorstellung von "Frieden" zu diktieren.

Dieses IGH-Gutachten ist ebenfalls eine schallende Ohrfeige für westliche Staaten und Regierungen, allen voran die USA und Deutschland. Baerbock spricht also nicht Klartext, sie versteckt sich hinter Trivialitäten, um letztlich die eigene Mitverantwortung zu verschleiern. Denn der IGH hat Israel attestiert, dass es seit Jahrzehnten eine rassistische Apartheidspolitik in den besetzten Gebieten und Ostjerusalem betreibt und somit ein fortdauerndes, strukturelles Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht. Deutschland und die USA sind die maßgeblichen Komplizen, die dies erst ermöglicht haben und deshalb versucht man im politisch-medialen Mainstream stets davon abzulenken, in dem man sich hin und wieder anderen Trivialitäten widmet; wie die vom angeblichen Einmarschgedankenspiel eines Erdoğans, der „Es gibt nichts, was wir nicht tun können“ sagte und damit einen unverhofften Aufhänger für Deniz Yücel oder Eren Güvercin lieferte. Da hatte Benjamin Netanjahu wieder einmal Glück, dass er mit der Feder dieser Burschen nicht als Kriegsverbrecher und Ministerpräsident eines Apartheitsstaates in der WELT gelandet ist.

Eigentlich sollte Erdoğan in Israel einmarschieren und Netanjahu dingfest machen und für seine Kriegsverbrechen vor das internationale Tribunal zerren, mitsamt den Claqueuren...