Israels Plan der ethnischen Säuberung

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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte: „Wir sind das Volk des Lichts, und sie sind das Volk der Dunkelheit... Wir werden die Prophezeiung Jesajas erfüllen.“ Offensichtlich wird die „Prophezeiung“ gegenwärtig im Gazastreifen gegen Palästinenser umgesetzt: Ethnische Säuberung.

Netanjahus Aussage von vergangener Woche mit Hinzuziehen der Prophezeiung Jesajas wurde in der Südhalbkugel und Asien scharf verurteilt, weil es sich hierbei um eine konkrete Andeutung zur Säuberung des palästinensischen Volkes aus Kanaa (Galiläa) handle. Gegner wiederum warfen den Kritikern vor, die Aussage bzw. das Rezitieren der Prophezeiung falsch interpretiert zu haben und beziehen sich dabei auf die Eingrenzung der Hamas. Netanjahu hatte in der Rede auch erklärt, „alle Hamas-Mitglieder sind todgeweiht - über der Erde, unter der Erde, in Gaza und außerhalb von Gaza.“

Beinahe einen Monat halten die Bombardements der israelischen Streifkräfte inzwischen an, bei der bislang über 18.000 Tonnen Sprengstoff auf den Gazastreifen insgesamt einschlugen -  nicht nur auf den Norden, sondern auf den Süden des 14 km breiten und 45 km langen Streifens. Über 32.000 Wohnungen wurden dabei zerstört, über 8.700 Menschen, darunter über 3.000 Kinder wurden getötet. Die Anzahl der noch Verschütteten kann nicht beziffert werden, da auch Helfer, Sanitäter sowie Krankenwagen, aber auch Journalisten sowie UN-Helfer unter Beschuss geraten. Zudem werden immer mehr Krankenhäuser getroffen, zuletzt am vergangenen Montag das Türkisch-Palästinensische Freundschafts-Krankenhaus in Gaza, die aufgrund der Zerstörung ihren Betrieb nur bedingt wiederaufnehmen kann. Das heißt, offensichtlich sind nicht nur die Hamas „todgeweiht“, sondern Zivilisten, Journalisten und Helfer von internationalen Organisationen, die sich im Gazastreifen aufhalten.

„Schlimmer als im Krieg“ erklärte Dr. Subhi Skaik im Jahre 2018 als Direktor des Schifa-Krankenhauses in Gaza-City die Bombardements damals. Heute erklärt er als Direktor des Türkisch-Palästinensischen Freundschafts-Krankenhaus, es handle sich um die „Hölle auf Erden.“ Haben die Kritiker von Netanjahu doch recht, wenn sie behaupten, mit der Prophezeiung Jesajas habe Netanjahu eine Passage angedeutet, in der ein Volk in Kanaan samt Vieh niedergemetzelt, Häuser und Höfe niedergebrannt werden, die vor ein Paar Jahrtausenden dem Volk der Juden Leid zugefügt hat?

Am 17. Oktober veröffentlichte das Misgav Institute for National Security & Zionist Strategy ein Positionspapier (PDF), in dem es sich für die „Umsiedlung und endgültige Ansiedlung der gesamten Gaza-Bevölkerung“ ausspricht. Der Bericht plädiert dafür, den gegenwärtigen Moment auszunutzen, um ein seit langem gehegtes zionistisches Ziel zu erreichen, nämlich die Vertreibung der Palästinenser aus dem Land des historischen Palästina. Der Untertitel des Berichts macht deutlich: „Derzeit besteht die einmalige und seltene Gelegenheit, in Abstimmung mit der ägyptischen Regierung den gesamten Gazastreifen zu evakuieren.“ Bemerkenswert dabei ist, dass es für die Organisation „The Unit for Settlement – Gaza Strip“ bestimmt war und publik wurde.

Das Misgav-Institut wird vom ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater von Netanjahu, Meir Ben Shabbat, geleitet, der in israelischen Sicherheitskreisen nach wie vor einflussreich ist. 

Inmitten dieser Bombardements, bei der ja laut der israelischen Regierung gezielt die Hamas vernichtet werden soll, wurde nun ein weiteres in englischer Sprache übersetztes offizielles Dokument publik, berichtet ein israelisches Online-Magazin - hier englischer Medienbericht sowie von Wikileaks. Die Empfehlung wird sogar von Gila Gamliel (Likud), der israelischen Ministerin für Geheimdienste, geteilt, mit dessen Logo das Dokument amtlich verziert wurde.

c.    Option C: Die Evakuierung der Zivilbevölkerung aus Gaza in den Sinai

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Die „Umsiedlung“ findet laut der Empfehlung in drei Phasen statt: Die Errichtung von Zeltstädten im Sinai südwestlich des Gazastreifens; die Schaffung eines humanitären Korridors zur Unterstützung der Bewohner und schließlich; den Bau von Städten im nördlichen Sinai. Gleichzeitig wird innerhalb Ägyptens südlich der Grenze zu Israel eine mehrere Kilometer breite Sicherheitszone eingerichtet, damit die evakuierten Bewohner nicht zurückkehren können. 

Darüber hinaus fordert das Dokument den Aufbau einer Zusammenarbeit mit möglichst vielen Ländern, damit diese die aus Gaza vertriebenen Palästinenser aufnehmen. Unter anderem werden Kanada, europäische Länder wie Griechenland und Spanien sowie nordafrikanische Länder genannt. Insbesondere Spanien stellt sich hierbei extrem quer - ob die Regierung zuvor Kenntnis darüber erlangte und deshalb die spanische geschäftsführende Ministerin für Sozialrechte, Ione Belarra, Anklage gegen Netanjahu vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag fordert?

Es ist also nicht nur die Ansammlung von theoretischen Annahmen, die darauf hindeuten, dass die israelische Regierung den Plan der ethnischen Säuberung des Gazastreifens - sogar von Westjordanland mithilfe bewaffneter Siedler - verfolgt, es gibt auch den Ist-Zustand des Gazastreifens im Hier und Jetzt sowie die schriftlichen Handreichungen einer israelischen Denkfabrik mit nahtloser Beziehung zur Regierung sowie die des Ministeriums für Geheimdienste, die das bisherige Vorgehen der israelischen Streitkräfte in Gaza auf Befehl von Netanjahu und seines Kabinetts erklären und das ganze abrunden. Im Ergebnis zeigt alles auf einen Soll-Zustand hin, in der alle Palästinenser aus dem Gazastreifen vertrieben werden sollen.

Und, es gibt genug andere starke Indizien dafür, dass die Pläne der israelischen Regierung auch der deutschen Regierung bekannt waren. Im Überbietungswettbewerb, wer Israel am nächsten zur Seite steht und sich uneingeschränkt solidarisiert, kamen die Zivilisten in Gaza bislang überhaupt nicht vor, während sie vom israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant zu „Tieren“, zu einer Herde eines minderwertigen Volkes degradiert wurden, die man am besten mit freundlicher Empfehlung europäischer Führer in die ägyptische Wüste treibt. 

An vorderster Front Völkerrechtlerin Annalena Baerbock (Grüne), die kurz nach Wiederaufflammen des Konflikts zuerst einmal nach Kairo flog, gefolgt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), um das Thema der "temporären Grenzöffnung" mit Abd al-Fattah al-Sisi nach fruchtlosem Verlauf erneut zu erörtern. Im Hintergrund dröhnten derweil Stimmen, darunter die des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages Michael Roth (SPD), und anderer Claqueure, die sich über die verweigernde Haltung Ägyptens beklagten und dabei auf Sinai als Lösung deuteten.

Allen voran US-Präsident Joe Biden, der nach dem Treffer einer Bombe auf das Baptisten-Krankenhaus in Gaza-City kurzerhand vom ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi und dem jordanischen König Abdullah II. bin al-Hussein kurzfristig ausgeladen wurde, vermochte es trotz eines gestrigen Telefonats mit al-Sisi nicht, Ägypten umzustimmen, damit die Palästinenser in Gaza ihre Wohnorte räumen und in die Sinai-Wüste in Ägypten umsiedeln, wo nach manchen Zeitungsberichten vorübergehend Zeltstädte für sie errichtet werden könnten, während Israel die belagerte Enklave bombardiert.

Doch wenn es einen Plan gab und die Nordhalbkugel mehr oder weniger in die israelischen Pläne eingeweiht war, dann fällt damit auch die Berufung auf das Recht auf Selbstverteidigung, die mit diesem Dokument und all den Gegebenheiten unterstrichen wird, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Dann ist es schlichtweg eine ethnische Säuberung und nach Auffassung von UN-Experten sowie 800 Wissenschaftlern und Juristen des Völkerrechts, der Konfliktforschung und der Völkermordforschung sogar ein Völkermord, der an Palästinensern im Gazastreifen stattfindet. Dann ist auch jeder Vorwurf des Antisemitismus nur ein Herrschaftsinstrument, den die europäischen Regierungen sowie die Bundesregierung derzeit gegen palästinensische Solidaritätskundgebungen mit Bezug zu Antizionismus und Israel-Kritik auffährt.