Türkischer Katastrophenschutz wird gelobt

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Französische Such- und Rettungsteams, die in Antakya im Einsatz waren, erklären, schon lange keine so gute Organisation vorgefunden zu haben.

„Seit 25 Jahren helfe ich bei Naturkatastrophen auf der ganzen Welt. Ich habe noch nie eine so gute Organisation gesehen“ wie in den zwei AFAD-Zentren in der Gegend von Antakya. Das berichtet ein Teammitglied der französischen Such- und Rettungsorganisation Secouristes sans frontières (SSF, kurz Retter ohne Grenzen), der aus Lothringen stammt.

Obwohl seit vergangenen Montag in der Türkei, wie auch in Europa, der türkischen Regierung vermehrt der Vorwurf gemacht wird, nach der Erdbeben-Katastrophe unzureichend und nicht zügig genug Hilfe an Ort und Stelle zur Verfügung gestellt zu haben, bewundern internationale Hilfsorganisationen die Arbeit des türkischen Katastrophenschutzes AFAD.

Vergangenen Montag waren alleine in Antakya nach dem Doppelbeben mehr als 2.800 Gebäude eingestürzt oder stark beschädigt worden. Einer der ersten vor Ort war Samet Erologlu, ein Mitarbeiter der AFAD. Die gesamte Krisenkoordination wird aus einem LKW heraus bewältigt, die wie eine Gefechtszentrale mobil aufgestellt, mit spezieller Technik ausgestattet ist. Von hier aus werden die Such- und Rettungskräfte koordiniert eingesetzt, auch internationale Hilfsorganisationen wie die französische SSF.

„Unsere Mission ist es, dringenden Rettungsbedarf zu erkennen und Retter vor Ort gezielt einzusetzen“, erklärt Samet. Alle nationalen und internationalen Teams sind dabei, die jeden Morgen ihren Einsatzplan vom LKW abholen und ihre Einsätze beginnen. Mit einem Freiwilligen aus Sirrt, der seinen Bus und sich als Fahrer zur Verfügung gestellt hat und zwei aus Frankreich hinzugestoßenen Türken als Dolmetscher, beginnen die Einsätze. „Wir bleiben so lange, wie es dauert“ heißt es aus diesem Kreis.

Die Dolmetscher Ali und Erkan Celik, 30 und 35, pendeln eigentlich zwischen Dijon und Istanbul. Zum Zeitpunkt des Erdbebens waren sie in Istanbul: „Wir haben unsere Rucksäcke genommen und sind per Anhalter gefahren, um an Ort und Stelle zu helfen.“ Freiwillige wie sie helfen unter der Koordinierung der AFAD. Bis zum vergangenen Sonntag zählte man 218.417 Freiwillige.

Die SSF bestätigt jedenfalls, dass die freiwilligen Helfer von der AFAD folgerichtig eingesetzt und die immense logistische Herausforderung von der AFAD in Rekordzeit bewältigt wurde. Eigentlich vermeiden internationale Hilfsorganisationen bei Auslandseinsätzen, vollkommen abhängig von örtlichen Behörden zu sein. So auch die SSF, die für mindestens eine Woche Hilfsmittel und Proviant mitbringen, um autonom zu bleiben. Der Grund ist simpel: aufgeblähte Bürokratie, langsame Kommunikation und Logistik.

Aber in der Türkei gibt es keinen Weg an der AFAD vorbei, was die SSF trotz anfänglicher Skepsis nicht bereut hat. AFAD sorgte dafür, dass die internationalen Helfer per Militär-Hubschrauber vom Flughafen in Adana in die Region in Antakya ausgeflogen werden. Als der Such- und Rettungsteam in Antakya ankam, wurde ihnen auch zwei SIM-Karten für unbegrenzte Verbindungen angeboten, um die Kommunikation aufrechtzuerhalten.

„Ich bin seit 25 Jahren auf der ganzen Welt zu Naturkatastrophen geeilt. Ich habe noch nie eine so gute Organisation gesehen. Anderswo war es immer das totale Chaos beim Empfang der internationalen Helfer“, sagt Thierry Cerdan aus Burgund. Luc Duffau und Jacky Clere Henner aus dem französischen Department Mosel nicken mit und erklären: „Hier finden Sie alles. Ob Essen oder Ausrüstung, die Vielfalt ist außergewöhnlich und die Reaktionsfähigkeit auf unsere Wünsche erstaunlich."

Sie berichten von ihren Eindrücken, z. B., wie sie es nicht geglaubt hätten, dass sie innerhalb einer Stunde einen Stromgenerator, Verlängerungskabel, Decken, Matratzen oder Werkzeuge bekommen hätten. Dazu ganztägig Kekse, Tee, Suppe und Brot, die Helfer im Einsatzgebiet verteilt hätten.

Das Land hat ihre Lehren aus dem Erdbeben in Gölcük im Jahre 1999 gezogen. 7.000 Führungskräfte koordinieren in 81 AFAD-Zentren über 30 Logistikzentren, die im Land verteilt sind. In diesen Logistikzentren sind Hilfsmaterialien für die Rettungskräfte wie auch Zelte, Container oder Essensrationen gelagert. Die Idee dahinter ist, ständig reaktionsbereit zu sein. „Von dort haben wir alles zu den zehn Logistikzentren in den betroffenen Gebieten transportiert“, schildert Samet. Das Gebiet umfasst 10 Provinzen, eine Fläche so groß wie das europäische Bulgarien oder größer aus die Insel Irland.

Die AFAD hat auch 176.000 Zelte vor Ort für Hilfskräfte, Freiwillige, die Bevölkerung und Flüchtlinge aufgestellt. In der Stadt Antakya ist die Zahl der Kräne, Bagger und Krankenwagen, die auf den Trümmern arbeiten, beeindruckend angewachsen. Genauso wie die seit Donnerstag massenhaft eingesetzte Polizei, die nach Vorkommnissen wie Plünderungen und Übergriffen sofort einschritten und die Situation in den Griff bekamen.