Die syrischen "Kurden" mögen im Westen als Befreier vom IS und als mustergültige Hoffnungsträger einer demokratischen Selbstverwaltung begrüßt werden, doch das dem nicht so ist, erkennt man gegenwärtig daran, dass die "Demokratischen Kräfte Syriens" (SDF), die zum Großteil von den völkisch-kurdischen "Volksverteidigungseinheiten" (YPG) aufgestellt wird, Reißaus nehmen.
Wir sprechen hier doch über eines der bestbewaffneten "Milizionäre" auf dieser Erde, die mit westlicher Unterstützung einst den Islamischen Staat IS aus Nordsyrien hin fortgejagt hat. Ein angeblich bunter Haufen von fürsorglichen Musterdemokraten, die von den USA Milliarden an Zuwendungen erhalten, um in der Region für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Eine "Kurdenmiliz", die doch die blutrünstige IS plattwalzte und seither jedwede aufkommende Zelle im Keim erstickt. Diese selbstverwaltende Ordnung, die in Nordsyrien unter dem Sammelbegriff "Rojava" etabliert wurde, sollte ja Sicherheit, Demokratie und damit eine Perspektive inmitten eines Bürgerkriegs bieten.
Was ein jähes Ende: Eine Handvoll einheimischer Araber, die stinksauer darüber sind, dass die Sicherheitskräfte der Selbstverwaltung unter der Regie der völkisch-kurdischen YPG einen von ihren verhaftet hat, überrannten in den letzten Tagen 24 Dörfer und etliche Checkpoints sowie Waffenlager, in der doch eigentlich die "kurdischen Milizen" der Volksverteidigungseinheiten die Kontrolle ausüben.
Die bewaffneten Auseinandersetzungen brachen vor fünf Tagen aus, nachdem die YPG den Anführer des sogenannten Deir ez-Zor-Militärrats sowie Clanoberhaupt Ahmed Al-Khubail verhaftet hatte. Die Wut darüber brachte auch andere arabische Stämme gegen sich auf, die eigentlich Verbündete im Kampf gegen die IS sind.
"Sie nehmen die Füße in die Hand"
Von den einstigen Rettern "Rojavas" wurden viele von den Arabern in die Knie gezwungen. Andere nahmen die Beine unter die Arme und brachten sich vor den wütenden Arabern schnell in Sicherheit. Die YPG-Führung ist unterdessen damit beschäftigt, auf die aufständischen Araber die Maske der IS überzustülpen, während man noch ausknobelt, ob man ihnen auch eine Nähe zu iranischen Milizen, gar dem syrischen Regime oder Russland attestieren soll.
Was erwarten die syrischen YPG, die Schwesterorganisation der Terrororganisation PKK? Dass die USA ihnen wie einst im Kampf gegen die IS tatkräftig unter die Arme greift und mit Luftangriffen den Weg freiräumt, um wieder die Kontrolle über die Region zu gewinnen? Die USA zeigen sich merklich beunruhigt und unternehmen rein gar nichts. Das ist auch naheliegend, ist doch die umkämpfte Deir ez-Zor-Region nahezu arabisch zusammengesetzt.
In den an den Euphrat angrenzenden Gebieten östlich und südöstlich von Deir ez-Zor kommt es weiterhin zu Zusammenstößen zwischen den arabischen Stämmen und Milizen der YPG / SDF. Die YPG verordnete kurzerhand eine 48-stündige Ausgangssperre und forderte die Aufständischen auf, sich zurückzuziehen. Doch die Araber zeigen sich unbekümmert, trotz der von der YPG angekündigten Verstärkung, die aus den von ihr noch besetzten Provinzen al-Hasaka und Ar-Raqqa nach Deir ez-Zor verlegt werden würden.
2.000 gegen 50.000
Halten wir fest: Lokalen Quellen zufolge beträgt die Mitgliederzahl des arabischen Militärrats in Deir ez-Zor etwa 4.000. In diesem Militärrat sollte der arabische Stamm der Al-Sanadid mit zwischen 2.000 und 3.000 Mitgliedern die Rolle des Stammes der Al-Khubail übernehmen - zumindest wurde das in den Reihen der YPG / SDF so ausgeknobelt und deshalb Clanoberhaupt Ahmed Al-Khubail festgenommen, um ihn auszuschalten.
Bislang hält sich der Stamm der Al-Sanadid, wie auch die USA, aus den Kämpfen zurück. Sprich, maximal 2.000 restliche Mitglieder des Militärrars sollen in wenigen Tagen eine modern ausgerüstete Streitmacht - nach eigenen Angaben allein innerhalb der YPG von mehr als 50.000 - vor sich hergetrieben haben. Und diese Streitmacht soll einst die IS besiegt und seither für Ordnung und Sicherheit sorgen? Selbstverständlich war dem nicht so. Die USA unterstützten die YPG / SDF mit massiven Luftangriffen, weshalb u. a. in der Stadt Ar-Raqqa kein Stein mehr über dem anderen Stand. Wie auf dem Präsentierteller mussten die Volksverteidigungseinheiten in den zerbombten Städten nur ihre Flagge mitnehmen und aufhissen.
Unverhoffte Hilfe
Inmitten dieser gegenwärtig hoffnungslosen Situation für die YPG / SDF, springen für die Al-Sanadid und die USA nunmehr die Russen und iranische Milizen in die Bresche. In der Region Manbidsch flogen die Russen Luftangriffe auf arabische Dörfer, während in der Provinz Aleppo in Tall Rifaat iranische Milizen gegen arabische Aufständische vorgingen. Offensichtlich sehen der Iran, Russland und das syrische Regime das fragile Konstrukt in Nordsyrien ebenfalls in Gefahr, weshalb sie einschreiten und die YPG / SDF dabei unterstützen, das vom Westen liebgewonnene "Rojavas" zu retten. Das reißt zwar die bunte heile Welt zusammen, wenn Autokraten, Schlächter, Mullahs und Räte "Rojavas" Hand in Hand gehen, aber mit etwas Geschick und Propaganda, wird man auch das als mustergültige Hoffnungsträger zur demokratischen Selbstverwaltung zu verschleiern wissen. Noch ist man keineswegs überm Berg, die Kämpfe halten noch an und die Region ist immer für eine Überraschung gut.