Ein Prozess gegen ein Mitglied des PKK-nahen Geistlichenvereins DIAYDER sowie eine Untersuchung des türkischen Innenministeriums werfen kein gutes Licht auf die Oppositionspartei CHP sowie den OB von Istanbul.
Jede Stimme zählt
Die türkische Oppositionspartei CHP ringt bei den bevorstehenden Wahlen um jede Stimme, will sie die amtierende Koalitionsregierung stürzen. Dafür ist die CHP auch zu Zugeständnissen bereit, die nicht nur fragwürdig, sondern auch dem Ruf der Partei von Atatürk nicht gerecht werden.
CHP liebäugelt mit Stimmen der HDP und der FETÖ?
Während der Oppositionschef der CHP Kemal Kılıçdaroğlu dem inhaftierten Sprachrohr der PKK, Selahattin Demirtaş (HDP), verteidigt und seine Freilassung aus der Untersuchungshaft fordert, die Parteiführung Beziehungen der völkisch-kurdischen HDP zur Terrororganisation PKK ignoriert und den Terrorismus als „kurdisches Problem“ bezeichnet, nehmen sie es mittlerweile billigend in Kauf, dass die CHP-geführten Stadtverwaltungen Personal einstellen, die mit Terrorismus in Kontakt stehen oder standen.
Würde sich im Grabe umdrehen
Die Situation, in der die von Atatürk gegründete Partei von Kılıçdaroğlu und seiner Parteiführung gerade steckt, ist geradezu bemitleidenswert.
Seit August läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Yavuz Saltık, dem Leiter der Gemeindevertreter der Stadtverwaltung von Istanbul. Saltık hat zwar nach eigenen Angaben keine Verbindungen zur PKK, hat aber Lebensmittelkarten an Angehörige des Geistlichenvereins DIAYDER verteilt, die nachweislich ein Ableger der Terrororganisation PKK ist.
Gegen 23 sogenannte Geistliche der DIAYDER läuft derzeit vor dem 14. Strafgerichtshof in Istanbul ein Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.
Die Staatsanwaltschaft wirft Saltık vor, wissentlich und willentlich Beihilfe für eine Organisation geleistet zu haben, die einer Terrororganisation angehört. Die Staatsanwaltschaft fordert gegen Saltık eine Freiheitsstrafe von 7,5 Jahren bis 15 Jahren.
OB von Istanbul steht im Mittelpunkt
Als Leiter untersteht Yavuz Saltık dem OB von Istanbul, Ekrem İmamoğlu (CHP). Hinzu kommt jetzt der Verdacht, dass die Stadtverwaltung unter Ekrem İmamoğlu nach 2019 Hunderte Personen eine Beschäftigung ermöglichte, deren polizeiliches Führungszeugnis fragen aufwerfen.
Der türkische Innenminister Süleyman hat vor einem Jahr eine Untersuchung eingeleitet, bei der sämtliche Stadtverwaltung der Türkei und deren Personal durchleuchtet wurden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung, die bei 204 Städten durchgeführt wurden, liegen nun vor. Aufmerksamkeit erregt in diesem Bericht vor allem die Stadt Istanbul, die bei der Einstellung von Personal mit einer zwielichtigen Vergangenheit oder anhaltenden strafrechtlichen Verdachtsmomenten, beide Augen fest verschlossen haben soll.
Polizeilich auffällig; und?
Dem Bericht zufolge wurden bei 557 Personen, die bei der Stadt Istanbul angestellt sind, ein Bezug zu Terrororganisationen wie der PKK, DHKP-C, MLKP, MKP oder FETÖ festgestellt. Das ist an und für sich schon ein Paukenschlag, weil bei der Einstellung von Personal die Stadtverwaltung obligatorisch das Führungszeugnis durchleuchtet muss.
Es kommt aber noch schlimmer. Laut Süleyman Soylu wurden mit dem Wahlsieg des OB zwischen dem 1. Januar 2019 und 31. Dezember 2021 25.361 Personen neu eingestellt. Zuvor hatte OB Ekrem İmamoğlu mit dem Amtsantritt 21.356 Personen entlassen, obwohl er zuvor erklärt hatte, am Personalbestand nichts verändern, niemanden aufgrund seiner Parteigunst benachteiligen, gar Sparmaßnahmen über die Personaleinstellung vornehmen zu wollen. Nichtsdestotrotz wurden stattdessen rund 4.500 Personen mehr eingestellt als zuvor.
Von diesen neu eingestellten 25.361 Personen wurden laut dem Innenministerium nur 15.125 polizeilich durchleuchtet, sprich, gab es ein Verlangen nach dem polizeilichen Führungszeugnis. Obwohl im Verwaltungsgesetz die Neuaufnahme von Personal strikt geregelt ist, unterließ es die Stadt Istanbul, die Regelung über das Vorlegen und die Überprüfung des Führungszeugnisses, gar eine Einrichtung einer Kommission zu veranlassen.
Die Istanbuler Stadtverwaltung wurde erst aktiv, als Amtsinspektoren der Provinzverwaltung aktiv wurden und nach den Angestelltenverträgen fragten. Diese wurden dann schleppend und im geringen Umfang vorgelegt, während man im vorauseilendem Gehorsam selbst rund 120 Angestellten die fristlose Kündigung aussprach.
Laut dem Innenministerium wurden unter den 25.361 Neuangestellten 4.227 Personen herausgefiltert, die strafrechtlich in Erscheinung getreten oder Ermittlungsgegenstand waren. Unter diesen befanden sich 147 Personen, gegen die in Zusammenhang mit einer Terrororganisation ermittelt wurde oder straffällig wurden. Insgesamt befanden sich gar 66 Personen, die wegen Terrorismus rechtmäßig verurteilt wurden.
Das Innenministerium stellte zudem bei 1.668 Personen eine unmittelbare Nähe zu Verwandten und Personen mit Bezug zu Terrororganisationen fest, die in polizeilichen Führungszeugnissen mit angegeben werden.
Auch in Adana oder Mersin
Dieses Tableau findet man auch in der Stadtverwaltung von Adana oder Mersin wieder, die von der CHP regiert wird. In Mersin sollen es 54 Personen sein, die einen Bezug zu Terrororganisationen haben und davon wiederum 30, die wegen Terrorpropaganda rechtmäßig verurteilt worden waren.
Die Ergebnisse des Innenministeriums wurden auch den 204 Städten übermittelt. Soylu hat diesmal jedes Schlupfloch ausgeschlossen, mit der sich Bürgermeister oder Parteien herauswinden können. Die Amtsinspektoren gingen gründlich zu Werk und ließen keine Stadtverwaltung aus, inspizierten ungeachtet der Partei die Verwaltungsebene der Städte.