Analyse stützen Mordumstände zu Shirin Abu Akleh nicht zu 100 Prozent

Zu lesen in den Sprachen: GERMAN

In einem Facebook-Post hat der ehemalige taz Journalist Daniel Bax deutsche Medien und Politiker hinsichtlich ihrer Berichterstattung bzw. auffälligen Zurückhaltung zum Tod der Journalistin Shirin Abu Akleh scharf kritisiert.

Derweil fordern Reporter ohne Grenze (ROG) eine unabhängige, internationale Untersuchung des Mordes. Auf der Grundlage von Open-Source Video- und Audioaufnahmen kommt das internationale investigative Recherchenetzwerk Bellingcat zu dem Schluss, dass sich israelische Soldaten im nächsten Schussposition befanden und die klarste Sichtlinie zu Shirin Abu Akleh hatten, erklärte heute Giancarlo Fiorella, der leitende Forscher des Recherchenetzwerks. Damit stützt Bellingcat die Vorwürfe palästinensischer Augenzeugen sowie die Aussagen des ebenfalls angeschossenen Journalisten Ali al-Samoudi.

Daniel Bax kritisiert in seinem jüngsten Facebook-Post in diesem Zusammenhang vor allem die deutsche Berichterstattung, die nach wie vor die Sichtweise der israelischen Regierung bzw. die der israelischen Armee wiedergebe. Diese Behauptung wurde zwar laut Bax schon von der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem rasch widerlegt. Sie wird aber bis heute auch von manchen deutschen Medien weiter verbreitet.

Das werfe auf die Berichterstattung deutscher Medien kein gutes Licht, die weiterhin eine einseitige Sicht vortragen würden, in der es heiße, Shirin Abu Akleh sei „bei einem Schusswechsel zwischen Truppen der israelischen Armee und bewaffneten Palästinensern“ getötet worden. So titelte die FAZ: „Für den Tod der Mitarbeiterin von Al Jazeera machen sich Palästinenser und Israelis gegenseitig verantwortlich“, was bedeute, dass die einen so, die anderen so sagen würden. Der Tagesspiegel titelte sogar: „Al-Dschasira-Journalistin stirbt an Schussverletzung“ – was die Möglichkeit offen lässt, dass sich die Journalistin diesen tödlichen Schuss möglicherweise selbst zugefügt hätte.

Daniel Bax wirft deutschen Medien vor, ungeprüft staatliche Behauptungen zu übernehmen und weiterzuverbreiten, somit sich ihrer Verantwortung zu stehlen. „Aber selbst, nachdem israelische Polizisten am Samstag in Jerusalem enthemmt auf den Trauerzug einprügelten, der den Sarg der ermordeten Journalistin begleitete, sodass dieser fast zu Boden ging, konnten sich deutsche Medien nicht zu einer klaren Beschreibung der Ereignisse durchringen. Die Tagesschau sprach, bei der Beisetzung der Reporterin sei es zu „Gewalt“ gekommen – obwohl Millionen Menschen weltweit das Video im Netz sehen konnten, auf dem klar zu sehen ist, von wem die Gewalt ausging. Und der „Spiegel“, sprach von, „Tumulten“: ein neuer Euphemismus für Polizeigewalt." erklärt Bax weiter.

Laut „Reporter ohne Grenzen“ sind seit 2018 mehr als 140 Journalistinnen und Journalisten durch israelische Sicherheitskräfte verletzt worden, seit 2000 wurden mindestens 30 weitere getötet. Zuletzt wurden zwei palästinensische Journalisten und Journalistinnen 2018 erschossen, als die israelische Armee an der Grenze zum Gazastreifen auf Protestierende feuerte.

Aufsehen erregte vor allem die Bombardierung der Büros von Reuters und Al-Jazeera im Gazastreifen. Daraus erkennt Bax durchaus ein System des israelischen Staatsapparats, kritische Berichterstattung auszuschalten. Wer das anders bewerte "als vergleichbare „Vorfälle“ in Russland oder im Ukraine-Krieg und arabischen Augenzeugen und Journalisten weniger Glauben" schenke, als sie es bei anderen Kollegen und Kolleginnen tun würden, müsse den Beruf ernsthaft hinterfragen, so Bax weiter.

Wie zuvor schon in einem Artikel festgehalten, war es für die meisten deutschen Medien erschreckenderweise „auch keine Thema, dass in Berlin am Wochenende gleich mehrere palästinensische Demonstrationen verboten wurden.“ Selbst eine Mahnwache für Shirin Abu Akleh, die von einer jüdischen Organisation angemeldet wurde, sei verboten worden. So lasse sich laut Bax die Meinungs- und Pressefreiheit leider nicht verteidigen.