Irre Wendung: Hurra, Dilşah Ercan lebt

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Die Selbstmordaktion der sogenannten kurdischen Frauenguerilla YJA Star gegen ein Wohnheim der Polizei in Mezitli bei Mersin nimmt eine irre Wendung. Der türkische Oppositionschef Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) hat recht, wenn er stolz behauptet, Dilşah Ercan sei es nicht gewesen. Schließlich wird seine Aussage von Dilşah Ercan selbst bestätigt.

Also, löst euch auf, es gibt nichts zu sehen, nichts Interessantes. Nur die Bestätigung, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und der türkische Innenminister Süleyman Soylu entweder geirrt oder etwas in die Welt gesetzt haben, das nicht stimmt.

Aber, wenn sich die Polizei, der Nachrichtendienst oder Soylu geirrt oder uns Flauseln in den Kopf gesetzt haben, weshalb war sich Kemal Kılıçdaroğlu so sicher, dass Dilşah Ercan bei dem Selbstmordanschlag nicht dabei war? Schließlich forderte er doch bereits zwei Tage nach dem Anschlag Soylu auf, die Ergebnisse der DNA-Untersuchung der Leichen öffentlich zu machen.

Es gibt nicht viele Quellen, aus der sich Kılıçdaroğlu mit diesen Informationen hätte decken können. Einen kleinen Hinweis lieferte die PKK-nahe Firatnews Agency am 29. September, also drei Tage nach dem Anschlag. Darin werden aber nur die Codenamen des „professionellen Fedai-Guerillateams“ genannt.

Am 3. Oktober setzte sich Kılıçdaroğlu vor die Kameras der Halk TV, um gegenüber dem Moderator İsmail Küçükkaya zu erklären, dass Dilşah Ercan nicht die Person sei, die sich in der Nacht vom 26. auf den 27. September in die Luft gesprengt habe. Er habe das aus Regierungs- bzw. Sicherheitskreisen erfahren, werde aber die Quelle nicht nennen, so Kılıçdaroğlu.

Noch am selben Tag lieferte die PKK-nahe Firatnews Agency den Beweis, dass Dilşah Ercan lebt, womit die Aussage von Kılıçdaroğlu gestützt wurde. Ercan spricht vor dem Hintergrund des PKK-Symbols und dem Konterfei von Abdullah Öcalan von „Fedais“, die sich in Mezitli selbst geopfert hätten.

Das heißt, die ehemalige „Journalistin“ Dilşah Ercan, die 2012 in einem Bericht der Oppositionspartei CHP als Opfer der Justiz vorgestellt wurde und schon damals als Terroristin abgeurteilt war, lebt. Die Firatnews Agency lieferte auch gleich den Grund, weshalb Dilşah Ercan sich der PKK angeschlossen hätte. Die amtierende türkische Regierungskoalition hätte all ihre demokratischen Rechte beraubt, weshalb sie ja jetzt neben einer Kalaschnikow sitzt und vor der Kamera ihre Genossinnen grüßt, die sich in Mezitli geopfert haben.

Weshalb Kemal Kılıçdaroğlu das Bedürfnis hatte, den Irrtum bzw. die „Lüge“ der „Regierung“, wie es der Oppositionschef bereits am 29. September so nannte, öffentlich vorzutragen, werden wir nie wirklich in Erfahrung bringen. Aber die Wirkung darf man nicht außer Acht lassen. Die Äußerung sollte schon damals die Regierung unter Druck setzen und dessen sogenannte „Willkürjustiz“ noch einmal unterstreichen.

Dabei unterdrückte Kemal Kılıçdaroğlu geflissentlich die Rolle seiner Partei selbst, Dilşah Ercan im eigenen Bericht über die Lage der sogenannten „Journalisten und Journalistinnen“ einen Platz eingeräumt zu haben, obwohl schon 2012 bekannt war, weswegen Ercan verurteilt wurde.

Was mir aber wirklich Kopfzerbrechen bereitet ist: Wenn Kılıçdaroğlu irgendwie spitz bekommen hat, dass diese sogenannte Journalistin, die sich in einem Video als PKK-Terroristin geoutet hat, nicht am Selbstmordanschlag beteiligt war, weshalb macht er das publik? Schließlich wird die Rolle seiner Partei damit nicht weniger schlimm und gerät damit erneut in die negativen Schlagzeilen!

Die türkischen Sicherheitskreise werden doch imstande sein, einen am Tatort gefundenen vollständig erhaltenen einzigen Desoxyribonukleinsäure-Strang richtig zu deuten und einzuordnen. Ferner hat man schon kurz nach dem Anschlag die vermeintliche Identität offengelegt. Wenn all das hypothetisch betrachtet nicht stimmt, wieso taten die Sicherheitskreise das dann?

Wollten die türkischen Sicherheitskreise etwa die PKK in Panik versetzen und zu unbedachten Reaktionen verleiten, in dem sie eine Ente verbreiten? Die Organisationsstruktur der PKK dazu verleiten, unter anderem elektronische Kommunikationsmittel zu benutzen, die seit Mitte September unter Strafe von der Führungsstruktur verboten worden ist?

Seit dem Treffen in Teheran im Juli, lichten sich die Reihen der PKK-Riege, weil die türkischen Operationen im Nordirak wie auch Nordsyrien überaus erfolgreich verlaufen. Mit ein Grund sind die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse des Militärs und der MIT, mit der ja Operationen durchgeführt werden.

Wenn dem so ist, hat Kılıçdaroğlu mit dieser Aktion unbewusst oder bewusst weiteren Operation ein jähes Ende bereitet!

Wenn dem so ist, wird die von Atatürk gegründete Partei zu einem Sicherheitsrisiko für das Land selbst. Die Partei-Spitzenfunktionäre verschanzen sich seit längerem hinter dem Gründer der Republik, der dieses Land allen Widrigkeiten zum Trotz mit der Befreiungsarmee vor 100 Jahren aus der Asche erhoben und bis 1938 gegen weitere hat Feuerherde verteidigt hat; um sie mit Hilfe von Kılıçdaroğlu vor neue Widrigkeiten zu stürzen.