Die vorläufige Verhaftung von zwei türkischen Journalisten der Tageszeitung Sabah Avrupa in Hessen, könnte eine Sprengkraft besitzen, die weit darüber hinaus geht, als nur Botschafter herbei zu zitieren.
In den frühen Morgenstunden wurden die zwei Journalisten İsmail Erel und Cemil Albay in ihren Wohnungen erst festgehalten, die Wohnungen von Dutzenden Beamten und Polizeihunden durchsucht, PKWs beschlagnahmt und abgeschleppt, elektronische Datenträger mitgenommen. Die Staatsanwaltschaft in Darmstadt wirft den zwei Journalisten im Alter von 46 und 51 Jahren vor, in Verdacht zu stehen, personenbezogene Daten gefährdend verbreitet zu haben.
Um welche Personen könnte es sich in dem Fall handeln? Vor einem Jahr hatte die Sabah Avrupa den Aufenthaltsort von Cevheri Güven aufgedeckt und darüber berichtet. Lange Zeit blieben die Journalisten bis auf einige sehr kritische deutsche Medienberichte unbehelligt. Cevheri Güven steht in der Türkei unter dringendem Tatverdacht, Mitglied der Fethullahistischen Terrororganisation (FETÖ) zu stehen. Er lebt nach seiner Flucht aus der Türkei über Griechenland in Deutschland.
Erst gestern veröffentlichte die Sabah in der Türkei wie auch Sabah Avrupa in Europa einen weiteren Bericht in Zusammenhang mit Cevheri Güven, bei der es diesmal um den resignierten Präsidentschaftskandidaten Muharrem Ince von der Memleket Partei ging.
Worum es da ging? Die Sabah wie auch Sabah Arupa berichteten über Verhaftungen von mehreren Twitter-Usern, darunter dem Gründer des Umfrageinstituts Avrasya, Kemal Özkiraz, der oppositionsnah gilt. Mit ihm wurden 13 weitere Personen verhaftet, die in Zusammenhang mit einer Schmutzkampagne gegen Muharrem Ince stehen. Des Weiteren führt die Spur auch zu Cevheri Güven, aus dessen Umfeld ebenfalls dieselbe Schmutzkampagne geführt wurde. Nach den Verhaftungen dieser Twitter-User in der Türkei, erhöhte sich der Druck auf die Drahtzieher dieser Schmutzkampagne, die mit einem Sex-Skandal angeführt wurde. Auch gegen Cevheri Güven, Oktay Yaşar, Ali Yeşildağ sowie Ethem Gürbaş liegen nach den Ermittlungen der türkischen Staatsanwaltschaft Haftbefehle vor.
Hat Deutschland bei der Manipulation des türkischen Wahlkampfs bzw. bei der Wahl des Präsidenten indirekt mitgewirkt? Wollte man den Kontrahenten von Kemal Kılıçdaroğlu, seinen ehemaligen Weggefährten Muharrem Ince aus der Gleichung nehmen, um die Wahl zugunsten des Oppositionsbündnisses zu gestalten.
Offensichtlich gerieten in Deutschland deshalb einige in Panik und drückten auf den Knopf. Das Ergebnis: zwei Verhaftungen, eine Behandlung als würde man einen Terroristen erkennungsdienstliche registrieren. Nach mehreren Stunden in der Wohnung und einigen Stunden im Polizeipräsidium in Darmstadt wurden die zwei Journalisten freigelassen. Die beschlagnahmten elektronischen Geräte und Datenträger wurden jedoch einbehalten.
Das heißt, der Grund der polizeilichen Razzia muss nicht zwangsläufig mit der Veröffentlichung von Personendaten stehen. Vielmehr erweckt es den Anschein, dass die Spur der Wahlkampf-Manipulation gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Muharrem Ince nach Deutschland führt.
Nicht das erste Mal, dass die deutschen Sicherheitsbehörden in Panik geraten. 2017 berichtete als einziger der TAGESSPIEGEL im Klartext, wem die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı nach langer Recherchearbeit in Deutschland auf die Schliche kam: Adil Öksüz, der Blackbox der Gülen-Sekte und des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei. Öksüz befand sich demnach in Berlin. TAGESSPIEGEL (Alexander Fröhlich und Susanne Güsten) schaffte es auch als einziger, das LKA in Berlin darauf anzusprechen und damit klarzustellen, dass die Bundesregierung den Mann inoffiziell deckt. Denn, kurz vor Eintreffen der Anadolu Ajansı im Wohnort von Adil Öksüz in Berlin, wurde Öksüz von LKA-Beamten rechtzeitig in eine andere nicht bekannte Adresse verlegt.