Der genaue Aufenthaltsort von Cevheri Güven, laut dem Gülen-nahen Internetportal DTJ-Online einer der bedeutendsten Investigativ-Journalisten der türkischen Presselandschaft, wurde von der türkischen Tageszeitung Sabah aufgedeckt.
DTJ-Online, das sich mit der Titelschlagzeile der Sabah vom vergangenen Donnerstag beschäftigt, wittert darin einen Verrat am Kodex journalistischer Arbeit. Laut dem Gülen-nahen Sprachrohr habe Cevheri Güven mit seinen YouTube-Videos Korruption in den höchsten türkischen Regierungskreisen aufgedeckt.
DTJ-Online fürchtet um das Leben von Cevheri Güven
Damit habe die Zeitung Cevheri Güven den aggressiven türkischen Regierungsfanatikern und dem türkischen Geheimdienst ausgesetzt, so der Grundtenor des Berichts. DTJ-Online fordert indirekt, dass der deutsche Staat nun einschreitet und dem einen Riegel vorschiebt.
In der Türkei ein Verschwörungstheoretiker
In der Türkei gilt Cevheri Güven als Flüchtiger, als Verschwörungstheoretiker, der derzeit auch mit dem türkischen Unterweltboss Sedat Peker auf sozialen Medien Hand in Hand geht. Seine sogenannte jüngste investigative Recherche habe ergeben, dass es eine mutmaßliche Verbindung zwischen der CNN-Reporterin Hande Fırat und einem Nachrichtendienstler des türkischen Nachrichtendienstes MIT gebe.
Verschwörungstheorie à la 9/11
Güven spinnt das seitdem zu einer geschickten Theorie weiter, wonach der gescheiterte Putschversuch vom 15. Juli 2016 vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan geschickt eingefädelt wurde, sowie dem Nachrichtendienstchef Hakan Fidan und der Entourage um ihn, unter anderem der TV-Moderatorin Hande Fırat, dem Journalisten Ahmet Hakan oder anderen türkischen Journalisten seitdem gedeckt wird.
Nicht das erste Mal, wie man meinen könnte. Cevheri Güven hatte bereits kurz nach dem gescheitertem Putschversuch, also bereits 2016, dasselbe geschickt in die Welt gesetzt. Voilà, die erste Verschwörungstheorie nach 9/11 war in den Gehirnen verankert!
Güven nutzte dafür einen kurzen Abschnitt der FaceTime-Verbindung zwischen der CNN-Reporterin Hande Fırat und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der Putschnacht vom 15. Juli 2016. Dabei identifizierte er einen sogenannten Nachrichtendienstler als den Mitarbeiter des türkischen Nachrichtendienstes Nuh Yılmaz. Was Güven bislang geflissentlich verschweigt, ist, dass der sogenannte Nachrichtendienstler damals Pressesprecher des türkischen Nachrichtendienstes war.
Wer ist Cevheri Güven?
Kurz nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft, die mit Auflagen verbunden war, verschwand Cevheri Güven aus der Türkei. Man vermutete bereits, dass sich Güven über Griechenland nach Deutschland abgesetzt hatte und dort seine Verschwörungstheorie weiter verbreitet. Das geht auch aus seinen Beiträgen in sozialen Netzwerken hervor. Nur der genaue Aufenthaltsort war bislang wage. Den genauen Aufenthaltsort hat nun die Tageszeitung Sabah aufgedeckt und am vergangenen Donnerstag auf die Titelschlagseite gebracht.
Sabah veröffentlicht Adresse des Exil-Journalisten Cevheri Güven https://t.co/8BRZXABoBu
— Cevheri Güven (@cevheriguven) September 23, 2022
Verschwörungstheoretiker bleiben Verschwörungstheoretiker
Offensichtlich genießen türkische Verschwörungstheoretiker und Mitglieder der FETÖ (türkisch Fethullahçı Terör Örgütü, zu Deutsch „Fethullahistische Terrororganisation“) in Deutschland einen Sonderstatus, während deutsche Verschwörungstheoretiker, Regierungskritiker und Flüchtige von investigativen Journalisten und Mediengruppen bis in den letzten Winkel der Erde verfolgt werden.
Kennen Sie noch den Kremlkritiker Alexej Nawalny, der vor zwei Jahren aufgrund von Recherchen des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel, gemeinsam mit dem US-Sender CNN und den Rechercheplattformen Bellingcat und The Insider, zum Anschlagsplan gegen Nawalny an die Namen mutmaßlicher Attentäter und somit an Adresse und Telefonnummer gelangte?
Pikant ist auch der Fall des Wirecard-Vorstands Jan Marsalek, der nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und der unabhängigen russischen Investigativ-Plattform „Dossier Center“ in Moskauer bekannten Luxusrestaurant verkehren soll.
Oder den Fall des Verschwörungstheoretikers Atilla Hildmann, dessen Aufenthaltsort 2021 nach Recherchen des TV-Senders RTL bekannt wurde. Er soll sich ja im türkischen Ort Kayaköy aufhalten, etwa 150 Kilometer von Antalya entfernt.
DTJ-Online deckt Verschwörungstheoretiker
Aber die Gülen-nahe DTJ-Online schlägt sich kämpferisch auf die Seite eines flüchtigen Verschwörungstheoretikers, um dessen besondere Schutzbedürftigkeit zu unterstreichen und investigative Arbeit von Journalisten aus einem bestimmten Land zu diskreditieren und damit zu unterbinden. Dabei bedient sich das Internetportal weiteren Exilanten, die in der Türkei von Strafverfolgungsbehörden gesucht werden.
Das interessante an diesem derzeitigen Spektakel ist, wer noch an der Seite von Cevheri Güven, vor allem auf Twitter, Position bezieht. Darunter sind zahlreiche Fake-Accounts, Tarnvereine, Internetportale und in Deutschland bekannte Personen, die mit der Gülen-Bewegung eng verwoben sind oder die jetzt aus der Deckung hervorkommen, um Solidarität zu demonstrieren.