Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich die türkische Rüstungsindustrie zu einem ernstzunehmendem autarken globalen Player entwickelt. Das verdankt sie zuallererst den Griechen, bzw. der griechischen Lobby in Washington.
Ein böser Nachbar kann einem zum Hausbesitzer machen, heißt es in einem türkischen Sprichwort. Mit diesem Sprichwort kann man die Entwicklung der türkischen Rüstungsindustrie sehr gut beschreiben.
Aber nicht nur die Rüstungsindustrie profitiert davon, sondern Entwickler und Produzenten von Nebenbranchen. Sie übernehmen die Entwicklungen aus der Rüstungsindustrie, um sie in den zivilen Bereich zu überführen.
Und selbstverständlich wird die Beschäftigung vorangetrieben. Facharbeiter werden ausgebildet, Ingenieure finden wieder Beschäftigung, der Wohlstand ist spürbar. Man merkt, dass der Aufschwung begonnen hat, es ist fassbar.
Griechische Lobby
Das alles hat man der griechischen Lobby in den USA zu verdanken, die ihren eigenen Beitrag dazu geleistet hat, damit die türkische Rüstungsindustrie dasteht, wo sie heute steht.
Es ist nicht lange her, da wollte die türkische Regierung von den USA zwei Drohnen des US-amerikanischen Herstellers General Atomics, sogenannte Reaper der Baureihe MQ-9 kaufen. Begründet wurde der Kauf damit, die Drohnen im Kampf gegen die Terrororganisation PKK einzusetzen.
Washington lehnt Kaufersuch Ankaras ab
Die Kaufabsicht wurde vom US-Kongress mit fadenscheinigen Begründungen einkassiert, kam erst nicht bis zum US-Präsidenten, der das absegnen sollte. Hinter den Kulissen Washingtons, hatte sich die griechische Lobbyvereinigung durchgesetzt, der Türkei keine Waffen moderner Bauart zu verkaufen. Dazu gehörte neben der MQ-9 auch das bekannte Flugabwehrraketensystem Patriot.
Das Ziel der griechischen Lobby ist seit ihrem Bestehen, die nationalen Interessen Griechenlands im US-Kongress zu fördern und alle Griechen in den USA unter einem Dach zu vereinen, die etwa 1 Prozent der gesamten US-Bevölkerung ausmacht. Des Weiteren gibt es noch die armenische Lobby, die unter anderem den US-Kongress ermutigte, den sogenannten Völkermord politisch anzuerkennen. Beide Lobby-Organisationen arbeiten dabei mitunter Hand in Hand, haben sie doch dieselben Interessen.
Ein Jahrzehnt der Entwicklung zahlt sich aus
Zehn Jahre später, während der türkische Hersteller Baykar Technology die neue Akıncı-Drohne vorstellte, die fast die gleiche Leistung wie die US-amerikanische MQ-9 erbrachte, billigte das griechische Parlament im Eilgang den Beschluss der Regierung, neun MQ-9 für insgesamt 400 Millionen US-Dollar aus den USA zu kaufen.
Das Tun der griechischen Lobby in Washington, kostete den griechischen Staat damals nicht nur 400 Millionen US-Dollar, sondern Nerven und die Einsicht, dass man den Quantensprung der Türkei kaum noch einholen kann, ohne massiv aufzurüsten. Heute muss das 10-Millionen-Einwohnerland das größte Rüstungsprogramm seiner jüngeren Geschichte stemmen, verteilt über fünf Jahre.
Griechenland muss aufrüsten, massiv
Waren es 2020 noch 500 Millionen Euro, stellte das Land in Relation zur Wirtschaftsleistung im Jahre 2021 mehr Geld für die Verteidigung als jeder andere NATO-Staat: 3,82 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). In diesem Jahr wird Griechenland seine Ausgaben für neues Militärgerät und die Modernisierung bestehender Waffensysteme weiter steigern, auf über 3,4 Milliarden Euro. Viel Geld für ein hoch verschuldetes Land, das ohnehin in diesem Thema innerpolitisch zerstritten ist.
Türkei profitiert auf allen Ebenen vom Quantensprung
Heute kann sich die türkische Industrie in diesen turbulenten Zeiten weltweit behaupten. Nicht nur in der Rüstungsindustrie, sondern auch im Schiffsbau, wo U-Boote und Flugzeugträger gebaut und demnächst vom Stapel gelassen werden. Der Entwicklungsvorsprung ist immens, färbt auch auf andere Industriebereiche ab. In der Stahlerzeugung ist man genauso autark, um Panzerfahrzeuge wie etwa die Ejder Yalçın von Nurol Makina zu bauen, wie auch das einheimische Sturmgewehr MPT-76 oder die 9mm-Pistole SAR9X dem Fachpublikum vorzustellen.
Laut dem türkischen Politologen Murat Yetkin habe die Türkei diese Entwicklung ebenfalls diversen Lobbygruppen im US-Kongress zu verdanken. Gebe es diese Bestrebungen der Lobbyorganisationen nicht, gebe es vermutlich auch nicht diese Entwicklung in der Türkei, so Yetkin.