Abhörskandal gefährdet Griechenlands politische Zukunft

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Die dunklen Wolken über Athen wollen nicht verfliegen. Griechenland ist sich unsicher, ob bei den anstehenden Wahlen angesichts des Abhörskandals eine stabile Regierung gebildet werden kann.

Die Debatten über den Abhörskandal haben die politische Landschaft Griechenlands auf den Kopf gestellt und Zweifel geschürt. Die Diskussionen begannen letzten Monat, als die griechische Regierung zugab, das Telefon eines Oppositionsführers abgehört zu haben – ein Schritt, den sie zwar als falsch bezeichneten, aber als legal verkaufen wollten. Es entwickelte sich dann schnell zu einer wirren Geschichte, in der eine umstrittene Spähsoftware auf den Telefonen einer ständig wachsenden Anzahl von Politikern und Journalisten platziert wurde.

Die Regierung behauptet nun, keine Verbindung oder Kenntnis zu weiteren Fällen gehabt oder gar autorisiert zu haben. Um den Druck auf die Regierung zu nehmen, entließ die Regierung zwei hochrangige Beamte, um sich dann inmitten äußerer Konfliktzonen wiederzufinden, in der man die Zügel fest in der Hand halten müsse.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat sich in diese Rolle begeben und spielt sie stringent durch. Inmitten sich aufziehender wirtschaftlicher Sturmwolken, eines in der Nähe tobenden Krieges und einer zunehmend bedrohlich empfundenen Rhetorik der Türkei, scheint Mitsotakis genau das zu liefern, was die Wähler sehen und hören wollen. Und Mitsotakis geht noch weiter und weist die Verantwortung strikt von sich.

„Ich werde nicht der Aufseher der politischen Instabilität sein“, sagte Mitsotakis am Samstagabend auf einer jährlichen Messe in Thessaloniki. „Ich werde das Land sicher bis zum Ende der vierjährigen Amtszeit führen und dann werden wir daran gemessen“, erklärte Mitsotakis weiter.

Die Öffentlichkeit ist jedoch weiterhin gespalten, trotz der dunklen Wolken, die Mitsotakis zeichnet und damit den Abhörskandal bagatellisiert. Sie sind sich nicht sicher, ob sie Mitsotakis bis dahin sehen oder bewerten wollen. Zwei kürzlich durchgeführte Umfragen ergaben, dass etwas mehr als die Hälfte der Griechen der Meinung ist, dass der Ministerpräsident zurücktreten sollte. Und da in den nächsten neun Monaten Wahlen stattfinden sollen, versuchen die potenziellen Koalitionspartner von Mitsotakis, sich ebenfalls auf die Krise zu stürzen.

Über allem schwebt ständig das Damoklesschwert, dass weitere Opfer ausgemacht, weitere Skandale zum Vorschein kommen. In den letzten Wochen gab es in der griechischen Presse immer wieder neue Anschuldigungen gegenüber der Regierung und sie wollen nicht abnehmen.

Dennoch hat Mitsotakis Grund zur Zuversicht, dass er und seine Mitte-Rechts-Partei Nea Dimokratia (Neue Demokratie) relativ unbeschadet davonkommen wird. Auch wenn einige Parteimitglieder selbst über die Enthüllungen tief besorgt sind, hat die Neue Demokratie in den Umfragen selbst nicht viel gelitten. Und die Wähler scheinen sich viel mehr auf die Wirtschaftskrise sowie Krise in der Ägäis zu konzentrieren als auf Spionagevorwürfe im Land selbst.

Der anhaltende Skandal blieb dennoch nicht ohne Folgen. Da waren zunächst die Rücktritte, darunter einer der engsten Mitarbeiter von Mitsotakis und sein Geheimdienstchef. Die Rücktritte kamen, nachdem die Regierung eingeräumt hatte, dass Nikos Androulakis, ein Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitglied der drittgrößten Partei im griechischen Parlament, der Pasok, abgehört wurde.

Erschwerend kommt hinzu, dass auf dem Telefon von Androulakis auch die Spähsoftware namens Predator gefunden wurde. Danach wurden auch Spuren der Predator bei Journalisten und Abgeordneten der wichtigsten Oppositionspartei, der linken Syriza, entdeckt. Die Regierung weist seitdem jegliche Verbindungen zu dieser Abhörsoftware strikt ab.

Dennoch bleiben offene Fragen: Warum die Regierung den politischen Gegner ausspioniert hat? Mitsotakis weigert sich bislang, zu erklären, warum das notwendig war und verweist dabei auf nationale Sicherheitsinteressen. Das hat zu Frustrationen im Parlament geführt. Mitglieder des Parlaments wollen es nicht hinnehmen, dass die Regierung den Bürgern vorenthält, was der Grund war oder den Bürgern die Möglichkeit nimmt, herauszufinden, ob sie überwacht werden.

Merkwürdigerweise wollen die wichtigsten Medien Griechenlands nicht mehr viel über die Skandale berichten. Der Parlamentsabgeordnete der Neuen Demokratie, Konstantinos Tzavaras, brandmarkte die griechischen Medien sogar als „Schande“, weil sie nicht mehr über den Skandal berichten würden.

Letztendlich wird Mitsotakis die kommenden Monate damit verbringen, seine Partei zusammenzuhalten und sich nebenbei den Wahlen zu widmen, die bis nächsten Juli stattfinden muss und aller Voraussicht nach im Frühjahr stattfinden wird. Bis die Abhörskandale an die Oberfläche kamen, galten die Neue Demokratie und Pasok als Koalitionspartner. Das scheint zunächst vorbei zu sein.

Die nächsten Wahlen in Griechenland werden nach dem Verhältniswahlsystem abgehalten, was es fast unmöglich macht, dass eine Partei eine Mehrheit gewinnt. Aus diesem Grund wird das Land höchstwahrscheinlich auf eine zweite Wahl zusteuern, die im Rahmen eines Systems abgehalten würde, das der ersten Partei Bonussitze einräumt. Aktuelle Umfragen zeigen jedoch, dass selbst mit einem Zweirundenbonus keine Partei auch nur annähernd die absolute Mehrheit erreicht.