Es ist alles ein wenig komplizierter, auch wenn es einige nicht wahrhaben wollen. Da wäre zum Beispiel das Theater um die Sinfoniker aus Dresden, die auf deutschem Territorium mitten in Istanbul "Aghet" einstimmen wollen.
"Aghet" bedeutet Völkermord und ist das gleichnamige Dokumentarfilm mitsamt der musikalischen Untermalung, mit der man den Türken auf den Zahn fühlen will. Wieso zeigt man sich so verwirrt über die türkischen Reaktionen, wenn man den Türken in der Türkei "Versöhnung" aufdröhnen will, was man ja auch in der Erklärung der Sinfoniker entnehmen kann? Schließlich ist die Türkei weder überführt, noch verurteilt und schon gar nicht Willens, sich zu versöhnen. Mitten in Berlin steht das Zeugnis dafür: die Sehitlik-Moschee mit zwei "Märtyrern" - muss ja wie ein Dorn im Fleisch sitzen. Aber sei´s drum, was die Sinfoniker auf deutschem Boden treiben, haben die Türken ja längst auf deutschem Boden verewigt, also können sie meinetwegen die Geige in Istanbul oder Ankara einstimmen.
Die Dresdner Sinfoniker sollten ihren Blick aber dabei aufs Wesentliche richten, wie auch die Beifallklatscherin Jaklin Chatschadorian. Wenn rassistische Äußerungen von einzelnen Türken geschmeidig in einem ellenlangen Text auf einen Verband übertragen werden, ist das intellektuell auf dem Niveau eines Aluhutträgers. Wenn man schon irgend welchen Türken, die in irgend einer sozialen Netzwerkseite von Moscheegemeinden ihren Mist verzapfen, als Beweis anführt, dann sollte man gefälligst auch diese liefern, anstatt auf einer Online-Gazette herumzuschwadronieren, wie schlimm doch der muslimische DITIB-Verband sei, auf die sich die verehrte Dame eigentlich eingeschossen hat. Da hilft auch nicht der Verweis auf einen Henryk M. Broder, der diesen Text gelobt habe, zeigt es doch nur, woher der Wind weht.
Überhaupt sind ja immer die Muslime rassistisch und gewalttätig obendrein, weil sie den Koran lieb haben. Da wächst eben kein Gras mehr, wo Türken, Muslime oder Araber auftauchen. Die Menschheitsgeschichte wäre ja auch längst nicht so blutig verlaufen, wie es Madlen Vartian jüngst mal ziemlich rassistisch rüber brachte, wenn da der Islam nicht wäre. Auch sonst ist man so frei, Politiker unter Druck setzen zu wollen, wie es Jaklin einforderte und von Ohanes Altunkaya Unterstützung erhielt, nämlich dann wenn Abgeordnete dazu gedrängt werden sollten, die Abstimmung zum Antrag über den Völkermord namentlich stattfinden zu lassen. Zustände sind das, schlimmer als im türkischen Parlament. Nicht umsonst schreibe ich, dass das viel komplizierter ist, schließlich behaupten doch die Damen und Herren, die Politiker hier wie drüben würden unter Druck gesetzt werden. Es kommt eben nur darauf an, auf welches Thema man sich bezieht. Wenn das Thema Islam oder Völkermord auf der Agenda steht, ist Unterdrückung sowieso vorprogrammiert, fragt sich nur für wen.
Dieser Koran, dieser Islam, der primitive Vorläufer allen übels - wenn es nach Minu Nikpay geht, sogar die Thora selbst -, mit denen die Kinder tobten, sich bildeten, dass sie die tapferen Krieger, Märtyrer seien. Vergessen all die Großen, Cäser, Alexander und Melkonians, die Kinder waren und zu tapferen Kriegern und Märtyrern wurden und heute in Homer, Ilias, armenischen Geschichtsbüchern verewigt sind. Eigentlich ist die Sache eindeutig: man hätte viel viel früher über die Bildung oder Integration diskutieren müssen. Die Osmanen haben eben den Fehler gemacht, nicht zu diskutieren und die Armenier in den Volkskörper zu asimilisieren, dann wäre all das nicht passiert. Stattdessen diskutiert man sich schon bis zu Adam und Eva zurück und bald darüber hinaus. So kompliziert ist die Geschichte.
Diskutieren könnte man auch über die Querverbindungen einer armenophilen Anstalt namens Aga-Online (Arbeitsgruppe Anerkennung - gegen Genozid, für Völkerverständigung), die sich es zur Aufgabe gemacht hat, den armenischen Genozid aufzuarbeiten, während andere genozidiale Verbrechen der Neuzeit völlig im dunkeln bleiben - warum auch immer. Deshalb die Frage an Radio Eriwan: Was ist der Unterschied zwischen Neuen Rechten und den Anstalten der Humanisten, Demokraten, Liberalen Muslime oder säkularen Muslimen? Mittlerweile ist kein Unterschied festzustellen, auf breiter Front nicht!
Wenn der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative Deutschland als Überraschungsgast einen Herren Kevork Almassian als Analyst und Journalist aufbietet, um über die Flüchtlingspolitik zu sinnieren, dann kann es auch die "Arbeitsgruppe Anerkennung - gegen Genozid, für Völkerverständigung", eben eines dieser Anstalten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, z.B. in Stuttgart mit Almassian erneut über Flüchtlinge auszulassen. Wenn man meint, das würde man nicht mehr überbieten, muss man enttäuscht feststellen: doch es geht. Dieser Analyst ist dann irgendwo bei den Neurechten wie Manuel Ochsenreiter zu verorten, in dessen Online-Auftritten sich dieser Almassian ebenso auslassen kann wie bei der Anstalt selbst.
Wundern darf man sich darüber nicht. Wenn die Jaklin meint mit vereinzelten Aussagen von Türken auf Verbände schließen zu können, müsste man diese Auftritte oder die eines Ali H. Yildiz (Christlich-Alevitischer Freundeskreis der CDU) ebenso hinterfragen - tut sie aber freundlicherweise nicht. Yildiz war so frei, sich als Redner für das "Erster Großer Konservativen Kongress“ am 7. Mai 2011 in Berlin zur Verfügung zu stellen - inmitten eines konservativen Blocks, dessen Redner und Unterstützer der "Aktion Linkstrend stoppen" keinen Hehl daraus machten, wie sie zu einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft gegenüber stehen - überhaupt nicht. Am besten würden die alles was am anderen Ufer bunt aufmarschiert, gleich wieder in die Verdammnis fortjagen. Man darf sich dann auch nicht wundern, wenn dieser CAF-Sprecher oder eine Jaklin, Madlen Vartians rassistischen Amoklauf auf Facebook entweder als “zielorientierte Kontroverse" bezeichnet und im Grunde verteidigt oder den Beitrag auf Facebook mit "gefällt“ abhakt. Wer nun welchen Konsens innerhalb der demokratischen Parteien verlassen hat, steht ebenso zur Debatte offen, auch wenn alles doch etwas komplizierter ist, als es den Anschein erweckt.
Unsere Demokratie ist nicht so wehrlos, wie manche es eben kolportieren, nur etwas komplizierter als mitunter einige Aluhutträger meinen. Es scheint immer jenen als wehrlos vorzukommen, die den Blick nicht aufs Wesentliche richten, sondern die Angst und das Opfertum derart verinnerlicht haben, dass das Aluhut inzwischen zur Mode geworden ist.