Keine Preisgabe des Staatsgebiets

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Eine Anerkennung russischer Gebietsgewinne über den Kopf der Ukraine hinweg scheidet auf der Grundlage des geltenden Völkerrechts ebenso aus wie ein vertraglicher Gebietsverzicht der Ukraine aufgrund völkerrechtswidriger Androhung oder Anwendung von Gewalt.

Es ist ermutigend, dass es bislang kein Anzeichen dafür gibt, dass Drittstaaten, vor allem Europa oder die USA, die Ukraine aufgrund der russischen Aggression zu einer Preisgabe eigenen Staatsgebiets drängen.

Bergkarabach - aserbaidschanisches Staatsgebiet

Das wirft aber die Frage auf, wie diese Staaten zu anderen Konflikten, zum Konflikt in Bergkarabach nun völkerrechtlich betrachtet stehen. Derzeit fallen im Schatten des Ukraine-Konflikts Schüsse in Bergkarabach - aserbaidschanisches Staatsterritoriums - die von Armenien unter dem Schutzschirm Putins nach wie vor völkerrechtswidrig besetzt gehalten wird. Russische „Friedenstruppen“ positionierten sich seit dem Waffenstillstandsabkommen vom November 2020 dazwischen und versuchen seither die derzeitige Lage nicht weiter eskalieren zu lassen.

Die USA und Frankreich sowie die Mitglieder der Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verurteilten erstaunlicherweise die jüngsten Bestrebungen Aserbaidschans, und nicht wie angenommen Armenien, die fremdes Staatsterritorium weiterhin besetzt hält und nicht gewillt ist, es aufzugeben.

Die USA und die gesamte Europäische Union haben die russischen Separatistengebiete in der Ukraine - Oblast Donezk und der Oblast Luhansk - nicht anerkannt. Der Westen hat die Ukraine sogar darin ermutigt, sich der völkerrechtswidrigen Besetzung und Besatzungsmacht entgegenzustellen, liefert seit Jahren Waffen an die Ukraine, damit das Land die separatistischen Gebiete zurückerobern kann.

#standwithukraine / #standwithazerbaijan

Im Gegenzug verurteilen dieselben Staaten nun erneut Aserbaidschan in ihrem Versuch, völkerrechtswidrig besetzte Gebiete von armenischen Separatisten und armenischen Militärs zu befreien, die völkerrechtlich weiterhin besetzt gehalten wird! Wie geht das zusammen?

Das geht, wenn man das Völkerrecht nach Gutdünken verbiegt, die Macht dazu hat. Wie man mit Gewalt erfolgreich weitermachen kann, haben die USA und etliche europäische Staaten in etlichen Angriffskriegen bewiesen. Aber nicht nur das. Die USA bewiesen auch, wie erfolgreich „Verhörmethoden“ wie Waterboarding sein können, die im Westen bis auf wenige Proteste anstandslos durchgingen. Einer derjenigen, der diese Methoden an den Pranger stellte, war Julian Assange, der seit mehr als 10 Jahren Opfer dieser westlichen Heuchelei ist und seither von westlicher Solidarität nur träumen kann.

Syrische, libysche und kurdische Folter

Deutschland ist nicht minder involviert, hat es aber bislang gekonnt geschafft, sich mit raffinierten Taschenspielertricks stets außen vorzuhalten. 2005 wies z.B. das Oberlandesgericht Stuttgart den Klageerzwingungsantrag auf Auftrag von 17 irakischen Folteropfern und einer Menschenrechtsorganisation ohne politische oder mediale Gegenwehr ab, die gegen US-Militärangehörige vorgehen wollten. Offenbar hatte man Angst, wie das Internationale Strafgericht sanktioniert zu werden. Noch Jahre später wurden deshalb über Rammstein Gefangene nach Guantanamo verfrachtet, ohne dass die Politik dem ein Riegel vorschob. 2022 verurteilte ein anderes deutsches Gericht diesmal mit großem medialen Interesse einen Syrer wegen „Staatsfolter“ in Syrien. Das wurde von der Politik und den Medien diesmal als ein deutliches Signal für ähnliche Fälle im In- wie Ausland gewertet, was zu weiteren Anklagen gegen Syrer allein in Deutschland führte.

Würden dieselben deutschen oder europäischen Gerichte auch Anklagen gegen Separatisten und Terroristen wegen Menschenrechtsverletzungen erheben, die in Libyen, in Syrien oder im Irak nach wie vor begangen werden? Die Europäische Union oder die USA haben dem Generalissimus Chalifa Haftar oder dem Terrorfürsten Murat Karayılan (kurdische PKK) erst ermöglicht, gegen Tripolis vorzugehen bzw. kurdische Separatistengebiete in Nordsyrien entstehen zu lassen und damit Fluchtbewegungen zu erzeugen.

Diese westliche Nationen lieferten entgegen aller Logik und entgegen dem Völkerrecht Waffen oder hielten und halten bislang schützend die Hand über diese Warlords und Terrororganisationen, wohlgemerkt in einem fremden Staatsgebiet - zusammen mit Putin.

Weshalb giften also deutsche Politiker die türkische Regierung für ihre Sicherheitspolitik an der syrisch-türkischen Grenze oder für ihre libysche oder aserbaidschanische Unterstützung an, die ihr eigenes und andere Staatsterritorien nach dem Völkerrecht der Vereinten Nationen zu verteidigen versucht? Weshalb ermuntert man aber im selben Atemzug die Ukraine darin, der Aggression die Stirn zu bieten? Diese und viele Fragen häufen sich, womit auch die Frage erlaubt sei, ob denn das Völkerrecht der Vereinten Nationen nur auf 5 Nationen beschränkt bleiben kann und alle anderen Nationen dieser Welt Statisten sind!

Die Türkei wird ihr Staatsterritorium zu schützen wissen und auch ihre geopolitischen Interessen nach geltendem Völkerrecht auf diplomatischen Wege oder in einem bewaffneten Konflikt durchsetzen; so wie die USA oder Europa es seit Jahrzehnten vorgelebt haben.

Kritik am US-Militarismus scheint jedenfalls jetzt in Europa passé zu sein, denn jetzt hat man gemerkt, dass Sicherheit nicht geschenkt wird und Wohlstand dem Militarismus zu verdanken ist. Das gilt um so mehr für den türkischen Militarismus, einem Land, das zwischen zwei Kontinenten und mehreren Konfliktregionen steckt.