Die Türkei soll, laut einem Bericht der kanadischen Tageszeitung The Globe and Mail, der Bitte des kanadischen Nachrichtendienstes CSIS um Freilassung eines syrischen Menschenschmugglers aus Kreisen des Islamischen Staates erst nicht entsprochen, dann aber einen Deal ausgehandelt haben.
Der Fall erregt seit Anfang September in Kanada sowie den Vereinigten Königreich für Furore. Laut der The Globe and Mail, hatte der kanadische Nachrichtendienst CSIS während des syrischen Bürgerkrieges Ankara darum gebeten, die Verbindung mit einem syrischen Menschenschmuggler, der in Kreisen des Islamischen Staates (IS) verkehrte, nicht offenzulegen. Der Schmuggler soll dem Bericht zufolge ein Doppelagent der CSIS gewesen sein, wobei die Türkei und New Scotland Yard im Ungewissen geblieben seien.
The Globe and Mail zufolge hatte die kanadische CSIS den Menschenschmuggler 2013 angeworben und dafür mit gesorgt u. a. drei britische Teenager an den Islamischen Staat im Bürgerkriegsland Syrien zu verkaufen. Die Türkei wurde dabei zum unmittelbaren Drehkreuz des Menschenhandels, die von der CSIS billigend in Kauf genommen worden sein soll.
Die kanadische Tageszeitung stützt sich dabei auf ein neu erschienenes Buch von Richard Kerbaj, der in Großbritannien lebt. Dessen Recherchen hatten ergeben, dass der kanadische Nachrichtendienst auch den britischen New Scotland Yard verzögert über den Verbleib der drei Teenager informiert und somit verhindert habe, dass die britischen oder türkischen Behörden den Schmuggel unterbinden können. Erst als die Geheimhaltung in Gefahr gewesen sei, habe die CSIS sich Ankara und London offenbart.
Nur wenige Tage später, nach dem die drei Teenager die türkisch-syrische Grenze übertreten hatten, wurde der Menschenschmuggler in der Türkei verhaftet und wegen Menschenschmuggel angeklagt sowie verurteilt. Die Verhaftung des Menschenschmugglers war der CSIS nicht entgangen, weshalb ein hochrangiger Agent mehrmals nach Ankara reiste, um die Türkei davon zu überzeugen, den Doppelagenten freizulassen. Die CIS befürchtete offenbar, in den Mittelpunkt einer internationalen Affäre gerückt zu werden.
Die Bemühungen der CSIS, die Rolle des rekrutierten Doppelagenten geheim zu halten und zu vertuschen, sorgte nunmehr nicht für Ärger mit Ankara, die mit der Verhaftung auch an ein Geständnis kam, sondern auch mit London. Ankara fühlte sich übergangen. Laut The Globe and Mail, habe der CSIS-Vermittlungsagent in Ankara um Verzeihung für die Spionageabwehroperation auf türkischem Territorium gebeten. Einer Freilassung stimmte Ankara zunächst nicht zu, aus Sorge, dass die Türkei mit bekannt werden der Affäre mit dem Islamischen Staat in Verbindung gebracht werden könnte.
Erst am 5. August 2022 habe die Türkei den Menschenschmuggler freigelassen, nachdem er jahrelang wegen Terrorismus und Menschenschmuggel in einem türkischen Gefängnis verbracht habe; einschließlich der Fälle mit den drei britischen Teenagern, die damals zwischen 15 und 16 Jahr alt waren. Die CSIS habe geplant, ihn nach seiner Freilassung nach Kanada zu bringen, wo er keinen weiteren „Schaden“ hätte anrichten können.
Türkische Medien berichteten Anfang März 2015, dass der Menschenschmuggler dem CSIS eine Woche vor seiner Verhaftung mitgeteilt hatte, dass er den drei Mädchen bei der Einreise nach Syrien helfen werde. Auch soll er dem türkischen Nachrichtendienst MIT nach der Verhaftung seine Rolle als Doppelagent verraten und erklärt haben, der CSIS habe ihm Asyl in Kanada versprochen, weil er den Islamischen Staat ausspioniert habe. Die Lage begann damals zu eskalieren, als der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Anti-IS-Koalition beschuldigte, der Menschenschmuggler habe für einen der Länder gearbeitet. Çavuşoğlu nannte aber nie Kanada oder den CSIS.
In dem Buch mit dem Titel "The Secret History of the Five Eyes" erklärt Kerbaj, wie wütend Ankara gewesen sei, als man erfahren habe, dass die CSIS in der Türkei ohne ihr Wissen einen Agenten arbeiten ließ, der die IS ausspioniert und dabei Menschen nach Syrien geschmuggelt habe. Dennoch habe sich Ankara nach Jahren auf einen Deal eingelassen, nach dem auch die britische New Scotland Yard der Bitte der CSIS entsprochen habe, den Fall nicht weiter breitzutreten und zu decken. Ankara habe aber als Bedingung das Agentennetz der CSIS in der Türkei ausgedünnt und verlangt, dass die CSIS von nun an jede Operation im Land mit dem türkischen Nachrichtendienst abstimmt.