Die tollkühne EU will Preisdeckel für Öl

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Vor vier Wochen vereinbarten die Finanzminister der G7, an einem Preisdeckel für Ölexporte aus Russland zu arbeiten. Der Plan könnte der Wirtschaft den Todesstoß versetzen.

Jetzt will die gesamte Europäische Union ebenfalls am Ölpreisdeckel mitmachen, die zuvor von Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, Kanada und den USA vorgeschlagen wurde.

In den Plänen der G7 geht es in allererster Linie darum, große Schiffsversicherer zu zwingen, Öltanker sowie die Ladung mit russischem Erdöl nur dann abzusichern, wenn diese zu einem Preis eingekauft wurden, die unter dem Preisspiegel liegen, die die G7-Staaten bzw. die EU vereinbart haben.

Das heißt, sollte das russische Öl weiterhin zu dem Preis eingekauft werden, die Russland selbst vorgibt, werden die Schiffsversicherer aufgrund der Vorgaben der Sanktionsmaßnahme weder den Öltanker, noch die Ladung selbst versichern.

Die Architekten dieses genialen Plans gehen davon aus, dass damit die Einnahmen Russlands eingeschränkt werden, um damit den Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Sie wollen vor allem Drittländer miteinbeziehen, in dem sie die international agierenden großen Schiffsversicherer, die allesamt im Westen ihren Sitz haben, sozusagen als verlängerten Werkzeug benutzen. Schließlich wollen auch Drittländer ihre Schiffe bzw. die Ladungen abgesichert wissen.

Das Problem dabei ist, dass die großen Einkäufer wie China oder Indien diesen Ölpreisdeckel höchstwahrscheinlich ablehnen und alternative Wege finden werden, um die Lieferkette aufrechtzuerhalten.

Ein weiteres Problem ist, dass die eingeführte Preisobergrenze zu einer erheblichen Unterbrechung der russischen Ölversorgung weltweit führen wird. Das bedeutet einen globalen Mangel und damit einen Anzug der Ölpreise. Russland würde wieder Mehreinnahmen verzeichnen und die Weltwirtschaft erneut abgestraft werden.

Die G7 und die EU glauben also, die russischen Ölexporte außerhalb ihrer Sphäre ebenfalls kontrollieren zu können. Und sie glauben, dass Russland sich diesem Diktat beugt und das Öl zu der Bedingung verkauft, die die Architekten dieser Sanktionsmaßnahme ihr aufzwingen wollen.

Das sieht auch derzeit vielversprechend aus. Die G7 sowie die EU kontrollieren rund 90 Prozent der weltweiten Schiffsversicherungen. Man hat auch einkalkuliert, dass die Drittländer den Preisdeckel als Vorwand nehmen, von Russland mit etwas Verhandlungsgeschick Öl zu einem günstigeren Preis einzukaufen. Das wiederum würde die Einnahmen Russlands verringern.

Im Idealfall beugen sich Drittländer ebenfalls dem Diktat und versuchen erst gar nicht, die Sanktionsmaßnahme zu umgehen. Das würde die Ölpreise drücken, so die Denke. In der Praxis ist das aber mit hohen Risiken behaftet.

Das größte Problem ist, dass die Politiker der G7 und der EU eine Entscheidung getroffen haben, die eine global-vernetzte Lieferkette betrifft. Diese Lieferkette hat eine eigene Dynamik, eine eigene Funktionsweise. Das hat man bereits bei den griechischen Reedern erlebt, die russisches Öl umverladen, um daraus ihren eigenen Profit zu schlagen.

Hier geht es aber nicht mehr um einige Hunderttausend Barrel, die auf Umwegen ihr Ziel erreichen. Hier geht es darum, große Einkäufer wie Drittstaaten dazu zu bringen, sich dem Diktat zu beugen. Das wären China, Indien und im kleinen Umfang auch die Türkei. Von den vielen anderen Ländern außerhalb der westlichen Sphäre mal abgesehen, tragen diese drei Länder den Ölpreisdeckel nicht mit.

Für diese Länder ist es zwar schwerwiegend, dass ihre Ladungen oder Öltanker nicht mehr wie gewohnt von westlichen Schiffsversicherern bedient werden. Aber es ist auch nicht unmöglich, das mit eigenen Bordmitteln abzudecken. Zudem, auch Russland hat inzwischen reagiert und will alternativ eine Versicherung anbieten, um den Ölhandel aufrechtzuerhalten.

Für andere Drittländer gebe es auch die Möglichkeit, sich dem Diktat dem Anschein nach zu beugen und den maximalen Preis zu zahlen, den der Ölpreisdeckel hergibt. Über Umwege oder zeitversetzt könnten diese Länder die Differenz zum eigentlich veranschlagten Preis dann doch wieder an Russland zahlen. Damit würden die Maßnahme der G7 und der EU wiederum ins Leere laufen.

Schwerwiegender ist, dass die Drittländer dazu genötigt werden könnten, sich in der Not auf skrupellose Ölhändler zu wenden, die diese Maßnahmen dann ebenso umgehen wie das ärmste Land der Welt, Nordkorea, seit Jahrzehnten vorführt.

Das größte Risiko, das diese Sanktionsmaßnahme aber birgt, ist, dass die russische Führung nicht so reagiert, wie die politischen Architekten der G7 und EU geplant haben. Moskau könnte den rationalen Weg verlassen und in einem Akt der Verzweiflung einen eigenen Wirtschaftskrieg anstoßen, in dem sie nach den Gasexporten auch die Ölexporte gegenüber „feindlichen Ländern“ zum Teil oder ganz einstellt.

Niemand kann mit guten Gewissen behaupten, dass Russland seinen eigenen Standbein - die Ölexporte - abhackt, um sich zur Wehr zusetzen. Russland muss nicht einmal die Ölexporte stoppen, um die Weltmarktpreise in die Höhe zu treiben. Schon die Ankündigung, manche der Architekten vom Ölfluss einzuschränken, würde die globalen Preise in die Höhe schnellen lassen.

Und Russland ist dahingehend nicht allein, wenn man bedenkt, dass die OPEC+ Länder bereits angedeutet haben, dem Treiben nicht wohlwollend zuschauen zu wollen. Erst jüngst musste Washington einen Dämpfer einstecken, als die Mitglieder der OPEC+ zum Oktober eine bescheidene Drosselung der Ölförderung ankündigten. Die Mitglieder, darunter auch Russland, sind schon aufgrund des Eigeninteresses angehalten, die Preise stabil zu halten und Gewinne einzufahren. Jede Manipulation dahingehend, wird die OPEC+ wohl entsprechend begegnen.