Eindrücke aus dem Erdbeben-Gebiet in der Türkei

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Es gibt auch nach über 200 Stunden Überlebende der Erdbeben in der Türkei, die in den Trümmerbergen auf die rettende Hand warten. Von außen graben sich Bergleute aus der Schwarzmeerregion sowie Rettungstrupps der Gendarmerie oder Berufsfeuerwehren in gleich mehreren Städten immer noch auf schwach wahrnehmbare Lebenspunkte in Trümmerbergen vor, die Geräte und Spürhunde empfangen haben.

Es gibt sehr viele Trümmerberge. Bislang wurden über 236.000 Häuser und Gebäude begutachtet. Über 33.000 Häuser sind stark beschädigt oder eingestürzt. Bei über 6.000 Häusern wurden mittlere Schäden und bei über 59.000 Häusern leichte Schäden festgestellt. 

Noch kämpfen polnische, kirgisische, thailändische oder türkische Rettungskräfte in weiteren Trümmerfeldern gegen die Zeit. Es ist staubig, ein kalter Wind fegt über die Trümmerberge in Hatay. In einem Einsatzgebiet werden die Grabungsarbeiten plötzlich gestoppt, ein Hund wird von der Leine gelassen. Es irrt erst über den Trümmern, dann ein lautes Bellen. Hier hat der Spürhund etwas gewittert. Es besagt jedoch nicht, ob da hinter dem Meterdicken Schutt und Betontrümmern, leben existiert oder leben erloschen ist. Das hindert die Retter nicht, dort anzusetzen und ihre Suche fortzusetzen.

In einem anderen Trümmerfeld setzen Spezialisten der türkischen Gendarmerie Drohnen mit Infrarotkameras ein, um auch nur eine leichte Wärmestrahlung auszumachen. Es gab seit nunmehr 9 Tagen immer wieder Treffer, die eine glückliche Wendung nahmen. Der Gendarmerie-Oberst schwört auf diese technische Neuentwicklung, die seit dem Erdbeben vom 6. Februar erstmals eingesetzt wird. Den Oberst und seinen Suchtrupp sieht man seit Tagen auf vielen Trümmerbergen. Da wo Überlebende oder Angehörige vor Tagen noch Verbindung zu den Verschütteten hatten und seit geraumer Zeit Stille herrscht, da sieht man die Drohne über den Trümmerbergen schweben, und nicht unweit davon fangen die TV-Kameras auch den Oberst ein.

Von zahlreichen internationalen Such- und Rettungskräften, sticht vor allem das israelische Heimatfront-Kommando (Pikud haOref) hervor. Gleich mit mehreren Hundert Kräften rückten die Such- und Rettungskräfte der israelischen Armee IDF auf Bitten der türkischen Regierung aus, um im Erdbeben-Gebiet nach Überlebenden zu suchen und zu retten.

Die israelischen Retter sind nicht das erste Mal in der Türkei. Manche der Rettungskräfte waren bereits beim großen Beben von 1999 in Gölcük, um Leben zu retten. Shanhar, ein Mitglied der Pikud haOref erklärt: „Das sind Erinnerungen, die zurückkehren. Ich denke, dass wir jetzt viel mehr Rettungskräfte angetroffen haben. Im Vergleich zu 1999 hat sich auch die Koordination zwischen den Ländern deutlich verbessert, es gibt mehr Rettungskräfte und zuarbeitende Organisationen, die helfen. Die Organisation hier, um die Situation in den Griff zu bekommen und zu koordinieren, ist besser. Man kann definitiv einen signifikanten Unterschied in ihrer Organisation zu früher erkennen. Von der Intensität des Erdbebens her ist es ganz ähnlich wie 1999, auch was das Chaos angeht, und leider auch was den Schaden angeht, kommt es dem sehr nahe," erklärt Shanhar weiter.

Ein anderes Mitglied namens Katz findet, dass sich die Kommunikation zwischen ihren Kräften und die der türkischen Gegenseite sehr verbessert hat: „Ich weiß nicht, wie ich über die Türken sprechen soll, aber ich weiß, dass wir uns als Einheit stark verbessert haben. Hier gibt es eine vorbildliche Organisation des israelischen Teams. Die Türken haben eine Organisation, die uns etwas mehr Resonanz gibt als damals, aber unser Team agiert immer noch völlig autonom. Dass wir als Delegation so zahlreich und geschlossen angereist sind, hilft sehr."

Die staatlichen Feuerwehrleute der HUSAR Polen sind mit der Kommunikation mit türkischen Kollegen ebenfalls zufrieden. Die AFAD habe Freiwillige organisiert, die als Dolmetscher zwischen den Teams vermitteln. Der Kommandeur der Feuerwehrtruppe, Brigadier Grzegorz Borowiec, erklärt, bis Mittwoch auszuharren um nach Überlebenden zu suchen, auf die man bei Aufräumarbeiten gestoßen ist. „Dort ist jetzt schweres Gerät eingedrungen, was bedeutet, dass die Bedrohung für die Retter zu groß ist. Wir wollen das Leben der Retter nicht riskieren, also warten wir auf den Kontakt mit verschütteten Personen, dann stoppen wir das schwere Gerät und unsere Retter können weiterarbeiten.“

Polnische Feuerwehrleute sind seit einer Woche in der Türkei im Einsatz. Seitdem ist es den Männern gelungen, 12 Menschen zu finden und zu retten. Am Mittwoch kehren die 76 Feuerwehrleute mit 8 Hunden in ihre Heimatstädte Woiwodschaften Łódź, Małopolskie, Mazowieckie, Pomorskie, Wielkopolskie und Dolnośląskie zurück.

Wer hart arbeitet oder in der klirrenden Kälte steht, der will auch eine warme Mahlzeit. In unzähligen Städten und Kommunen haben Freiwillige an Straßen offene Küchen aufgebaut, in der sie kostenlos Sandwiches oder warme Mahlzeiten anbieten. Ein bekannter Gastronom, Ömür Akkor, hat sich nach dem Erdbeben in Elbistan niedergelassen. Hier hat er ein sicheres Restaurant für sechs Monate angemietet, um Menschen freie Kost anzubieten. Okkar, der für seine historischen Gerichte sowie sein Kochbuch über mesopotamische Gerichte bekannt ist, erklärt: „Alles, was wir wollten, war, wieder ein bisschen Normalität zu schaffen. Wir wussten, dass wir diejenigen, die gegangen sind, nicht zurückbringen können und wir würden auch die schmerzhaften Erinnerungen der Menschen nicht vergessen lassen. Aber wir wollten ihnen das Gefühl geben, dass wir von nun an bei ihnen sind. Unser Restaurant "Neues Leben" ist jetzt geöffnet.“

Irgendwo in einer Großküche in Adana schmeckt der spanische Koch und Gründer von World Central Kitchen, José Andrés, die zubereiteten Mahlzeiten ab. Das Gewusel in der Großküche können die Kameraleute kaum einfangen, den Chefkoch schon gar nicht. José Andrés kämpft ebenfalls gegen die Folgen der verheerenden Erdbeben an. Für einen Augenblick hält er inne und erklärt, dass „die Verwüstung etwas ist, das wir immer noch nicht verstehen können.“ Die Erdbeben hätten ein historisches Ausmaß, so José Andrés.

Der renommierte spanische Koch atmet tief ein und spricht von enormen Ressourcen die auf lange Zeit beansprucht werden. Es werde äusserst schwierig sein, alle Menschen in den betroffenen Gebieten kontiunierlich zu versorgen. Man spreche ja von über 13 Millionen Menschen. „In Adana haben die Menschen zu viel Angst, um nach Hause zu gehen und bleiben daher bei Minusgraden im Freien“, erklärt Andrés gegenüber der CNN Türk. „Sie gehen nicht in ihre Häuser, selbst wenn sie sicher wären, weil sie befürchten, dass das Haus über ihnen zusammenbricht. Viele Menschen leben in Zelten… oder in ihren Autos“, sagte er weiter.

In einer anderen Großküche steht der in türkischen TV´s auftretende bekannte italienische Chefkoch Danilo Zanna. Es ist die Universität von Malatya. Mit dem Küchenteam seines Restaurants ist er aus Istanbul nach Malatya gereist und kocht hier für eine Zeltstadt sowie für die freiwilligen Helfer vor Ort. Zana hat eine besondere Bindung zu der Stadt Malatya. Hier aß er nach eigenen Angaben eines der besten Gerichte der Türkei, wovon er noch heute schwärmt. Deshalb, so erklärt Zana, wolle er etwas zurückgegeben.

„Wir lassen niemanden allein. Ich habe hier mein eigenes Freiwilligenteam. Es gab Leute, die aus Van kamen, um zu arbeiten, und dann zurückkehrten. Jeder versucht, sein Bestes zu geben“ fügt Zana hinzu und ist Stolz darauf, jeden Tag bis zu 3 Tonnen Pasta und 2,5 Tonnen andere Mahlzeiten zuzubereiten. „ Das sind bereits gute Ergebnisse und ich denke, in einigen Tagen können die Jungköche die Arbeit selbstständig fortsetzen", so Danielo Zana.