Alpay Antmen, CHP-Abgeordnete der Provinz Mersin, erhebt schwere Vorwürfe gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan. Er soll ein Jahr zuvor die im Jahre 2013 als Erdbeben-Risikogebiet eingestuften Stadtteile von Hatay per Dekret umgewandelt haben. Stimmt das?
Rückblick: Das türkische Präsidialamt hatte 2013 sechs Stadtteile in Hatay zu Erdbeben-Risikogebieten erklärt. 9 Jahre später wurde diese Entscheidung jedoch am 5. Februar 2022, ein Jahr vor dem Erdbeben in Kahramanmaraş vom 6. Februar 2023, per Dekret aufgehoben.
Jetzt schiebt CHP-Abgeordnete und Rechtsanwalt Alpay Antmen die gesamte Verantwortung für das Erdbeben in der Region, das auch Hatay sowie die sechs Stadtteile betroffen hat, auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, weil er per Dekret die Aufhebung der Klassifikation als Risikogebiet veranlasst habe.
Was sagen die Fakten dazu?
Die erste Entscheidung des Präsidenten in Abstimmung mit dem Kabinett, sechs Stadtteile in Hatay zu Risikogebieten zu erklären, wurde 2013 getroffen und per Dekret bekannt gegeben.
Ramazan Güneş, der Gemeindevorsteher des Stadtgebiets Meydan in İskenderun - einem Stadtteil das am 12. November 2013 als Risikogebiet eingestuft wurde - klagte am 25. November 2015 mitsamt weiteren 5 Stadtgebieten - Pınarbaşı, Esentepe, Numune und Modernevler - vor dem Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung des Präsidialamts, die Gebiete als Risikogebiet einzustufen und das Programm der Stadterneuerung (Kentsel dönüşüm) durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht entschied 2017 zugunsten der Kläger. Der Ministerrat verfügte kurze Zeit später im Jahre 2017 erneut darüber, dieselben Stadtteile zu Risikogebieten zu erklären. Nach dieser Entscheidung protestierten die Bewohner der sechs Stadtteile gegen die Verfügung und gingen erneut in Berufung.
Bis 2022 hob erst das oberste Verwaltungsgericht, danach als letzte Instanz der Staatsrat das Dekret des Ministerrats bzw. Präsidialamts auf. Dieser Gerichtsentscheidung fügte sich der türkische Präsident letztendlich und gab per Dekret am 5. Februar 2022 bekannt, dass die Stadtteile von der Risikoeinstufung befreit worden sind, etwaige Strafzahlungen gegen Gemeindevorsteher und Hausbesitzer aufgehoben werden.
Ramazan Güneş, der Gemeindevorsteher des Stadtgebiets Meydan in İskenderun, der zusammen mit Medien den Sieg gefeiert hatte, gab das auch so gegenüber den Lokalmedien vor einem Jahr an.
Das heißt, das Präsidialamt bzw. der Ministerrat verfügte innerhalb einer Zeitspanne von 9 Jahren zweimal, dass die Gebiete als Erdbeben-Risikogebiet eingestuft und die Stadterneuerung durchgeführt wird. Dagegen klagten die Einwohner bzw. die Gemeindevorsteher und setzten sich zuletzt mit dem Staatsrat durch. In dieser Zeitspanne konnten die Häuser nicht erdbebensicher gemacht werden, weil die Bevölkerung dagegen war.