Die Abholzung von Wald Akbelen-Ikizköy

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Es half alles nichts. Mit der endgültigen Entscheidung des Gerichts, ist der Weg für die Abholzung von rund 740.000 Quadratmeter Wald südlich von Milas in der türkischen Ägäisprovinz Muğla frei. Am Freitag hat die Limak Holding begonnen Teile des Waldgebiets abzuholzen. Umweltaktivisten wurden von der Gendarmerie davon abgehalten, in das Gebiet einzudringen und Arbeiter zu bedrängen oder zu verletzen, wie es schon einmal der Fall war.

Auf ein Wunder können die Umweltaktivisten kaum noch hoffen. Zwei Eilanträge gegen die Abholzung und den Kohleabbau sind aufgrund von zwei unabhängig erstellten Gutachten, die von jeweiligen Gerichten angefordert wurden, bereits gescheitert. Die Limak Holding, die als Mischkonzern den Kohleabbau vorantreiben will, hält die Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts für richtig. Niemand habe die Entscheidung, die Kohle zu beanspruchen, leicht getroffen. Aber um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sei man weiterhin auf den Abbau von Kohle in dieser Region angewiesen.

Limak Holding ist ein Mischkonzern, das im Tourismussektor wie auch im Energiesektor tätig ist. In der Ägäisregion betreibt Limak Holding zwei Kohlekraftwerke, die zusammen 2,5 Prozent des Energieaufkommens der Türkei abdecken. Die Provinz Muğla ist ein Magnet für Tourismus. Jährlich strömen über 2.000.000 Touristen in die Region, vor allem die Halbinsel Bodrum ist ein beliebtes Reiseziel für In- wie Ausländer. Entsprechend hoch ist der Energiebedarf, vor allem zwischen März bis Oktober.

Der Erhalt von natürlich gewachsenem Wald sollte oberstes Ziel bleiben - das ist richtig und wichtig. Solche Wälder sind ökologisch betrachtet unersetzbar. Mit diesem Argument wollten die Umweltaktivisten das Treiben in Akbelen-Ikizköy verhindern. Auf der anderen weist Limak Holding darauf hin, dass der Wald zwar abgeholzt werde - rund 25.000 Bäume, dafür aber in anderen Regionen der Provinz 2.000.000 Bäume wieder angepflanzt werden. Außerdem sei vom Staat vorgeschrieben worden, das Gebiet wieder aufzuforsten, nach dem der Abbau beendet worden ist.

Die Türkei steckt wie kein anderes Land in einem Dilemma. Um die Energiesicherheit zu gewährleisten, die Energiekosten für die Bürger zu senken, weil sie mit Devisen teuer Energie einkauft, muss sie ihre eigenen Energiequellen anzapfen oder in Atomenergie investieren. Wenn es nach Umweltaktivisten geht, ist keines davon eine Option. Entsprechend verhärtet sind die Fronten.

Die Türkei mutiert langsam und stetig von einem Schwellenland in eine Industrienation. Entsprechend steigt auch der Energiebedarf. Zwar setzt die Türkei vermehrt auf grünen Strom, will damit die Energiewende aus Eigeninteresse mit dem international vereinbarten Zwei-Grad-Ziel umsetzen, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. So hat die Türkei ihre Gesamtleistung der Erneuerbaren vom Beginn ihres Ausbaus im Jahr 2009 bis 2021 um mehr als das Dreifache auf 50 GW (Gigawatt) erhöht, was einen Anteil von 46 Prozent ausmacht. Aber das geht ins Geld und so richtig anfreunden können sich Umweltaktivisten wie auch Bewohner betroffener Regionen mit künstlich aufgestauten Wasserkraftwerken, Solarpanelfeldern und Windräderparks auch nicht. Rund 16 Milliarden US-Dollar vereinnahmte allein die Energiewende bislang und das schlägt sich in den Energiekosten nieder.

Bis die Türkei sich sozusagen autark mit Energie selbst versorgen kann, werden noch weitere Milliarden fließen, während die Energiesicherheit im Auge behalten werden muss. Wie verletzlich die Türkei dahingehend ist, konnte man im Januar 2022 beobachten, als der Iran aus mutmaßlich technischen Gründen einen mehrtägigen Gas-Lieferstopp verhängte. Auch die Energielieferungen aus Russland hängen am seidenen Faden. Die Abhängigkeit von Energieimporten, die teuer eingekauft werden müssen, die Forderung der Bevölkerung nach günstigeren Energiepreisen und der stetig ansteigende Energiebedarf, treiben die Energiepolitik also vor sich her.

Deshalb setzt die Türkei vermehrt auf Atomkraft und die Erschließung von eigenen fossilen Brennstoffvorkommen. Das heißt, auch wenn die Türkei auf erneuerbare Energien setzt, ist sie aufgrund des zugleich ansteigenden Mehrbedarfs an Energie, auf die Nutzung von fossilen Brennstoffen angewiesen.

Die Kohle unter dem Wald von Akbelen-Ikizköy deckt auf Jahre den Bedarf. Sie lässt sich kaum einfach und günstig woanders besorgen, denn dazu ist der Bedarf ganz einfach zu groß. Rund 35 Prozent der Stromversorgung der Provinz werden von Kohleheizkraftwerken gedeckt. Die Tourismusregion, die Industrie und vor allem die Landwirtschaft mit ihren Hightech-Gewächshäusern, ist auf diese Energie angewiesen. Diese Energie kann anderweitig nicht gestellt werden, der Aufwand gewaltig.

Das heißt, entweder müssten die vorhandenen Kraftwerke ihren Kohlebedarf von anderen Abbaugebieten decken, was zu mehr Energiebedarf und Umweltverschmutzung führt, oder man müsste die Kohlekraftwerke herunterfahren, anderweitig mehr Strom produzieren, um so die Stromnetze zu stabilisieren, damit Stromausfälle zu vermeiden. Das wiederum würde bedeuten, das andere Kraftwerke im Land länger am Netz bleiben, um ein kleines Stück Wald zu retten, die bereits an einem Kohleabbaurevier angrenzt.