Türkei: Offshore-Energieabkommen erhöht Druck auf EU

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Libyen und die Türkei unterzeichneten am vergangenen Mittwoch eine Absichtserklärung für eine Offshore- Öl- und Gasexploration in libyschen Gewässern. Das Abkommen fällt in eine Zeit, in der zwischen Libyen und Griechenland ein Streit um Seerechte entbrannt ist.

Nur wenige Tage nach einem Streit zwischen der libyschen Regierung der Nationalen Einheit (GNU) mit Sitz in Tripolis und Griechenland sowie der darauffolgenden Einbestellung des griechischen Botschafters Nikolaos Garilidis, um an Athen wegen ihres „einseitigen Vorgehen“ in umstrittenen Seegebieten eine Note zu senden, trafen sich die Vertreter der libyschen National Oil Corporation (NOC) und der Turkish Petroleum Corporation (TPAO) in Istanbul.

Dabei wurde eine Vereinbarung getroffen, in der NOC-Vorsitzendem Masoud Suleiman und TPAO-Direktor Ahmet Türkoğlu übereinkommen, innerhalb von 9 Monaten eine Fläche von 10.000 km² in libyschen Küstengewässern umfangreich geologisch und geophysikalisch zu untersuchen und die Ergebnisse zu präsentieren. Die Explorationsuntersuchungen sollen in vier anvisierten Offshore-Gebieten durchgeführt werden.

Griechenland erzürnt Libyen

Dem Streit zwischen Libyen und Griechenland gingen zuvor heftige Einwände gegen die jüngsten Ausschreibungen Griechenlands für die Exploration von Kohlenwasserstoffvorkommen südlich von Kreta. Libyen argumentiert, dass Teile der ausgewiesenen Gebiete unter die uneingeschränkte maritime Gerichtsbarkeit und Souveränitätsrechte Libyens fallen. Ferner hatte der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis angekündigt, ihre Marine in internationale Gewässer vor der libyschen Küste zu entsenden. Er bezeichnete die Operation als „Vorsichtsmaßnahme“ zur Überwachung irregulärer Migration und erklärte, sie werde „in Abstimmung mit den libyschen Behörden und anderen europäischen Streitkräften“ durchgeführt. „Schmuggler werden nicht bestimmen, wer in unser Land einreist“, erklärte Mitsotakis.

Die Vereinbarung zwischen Libyen und der Türkei dürfte die ohnehin schon angespannten regionalen Seebeziehungen noch komplexer gestalten, insbesondere in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer, wo seit langem Streitigkeiten über Energierechte und Hoheitsgewässer zwischen der Türkei und Griechenland sowie Zypern herrschen.

Türkei und Libyen rücken immer enger zusammen

Die Türkei und Libyen haben bereits mehrere bilaterale Abkommen geschlossen, darunter ein Seegrenzenabkommen und ein Abkommen über gemeinsame militärische Zusammenarbeit. Das Seegrenzenabkommen, das 2019 unterzeichnet wurde, legt die Seegrenzen zwischen den beiden Ländern im Mittelmeer fest und ermöglicht es ihnen, ausschließliche Wirtschaftszonen zu beanspruchen. Das militärische Abkommen wurde im gleichen Jahr unterzeichnet und sieht eine gemeinsame militärische Ausbildung und Ausrüstungshilfe vor.

Eskalationsspirale dreht sich immer schneller

Experten warnen, dass sich die Eskalationsspirale insbesondere um Griechenland, Zypern und der Türkei immer schneller dreht. Während Griechenland darauf pocht, ihre 12 Seemeilen durchzusetzen und damit vor allem in der Ägäis die Türkei förmlich abzuschnüren, beruft sich die Türkei auf die Genfer Seerechtskonvention (1958), weil sie das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (1994) nicht unterzeichnet und ratifiziert hat. Zypern widerum will auch östlich der geteilten Insel nach Gas- und Ölvorkommen suchen und gerät mit der Türkei als Garantiemacht der Türkischen Republik Nordzypern in Konflikt.

Das Problem: Griechenland und Zypern stehen mit ihren Interessen und Seekarten im völligen Widerspruch zu der Ansicht der Libyer, Türken und türkischen Zyprioten. Alle Parteien haben bereits ihre Marine in die umstrittenen Gebiete entsendet. Die Spannungen im östlichen Mittelmeer können, sollte es nicht alsbald zu einer einvernehmlichen Lösung kommen, zur Destabilisierung der Suezkanal-Route, im Extremfall aufgrund des Artikel 42 des EU-Vertrags in einem Konflikt zwischen der Europäischen Union sowie der Türkei und Libyen enden.

Türkei baut auf Eigenständigkeit und sichere Seewege

Unterdessen erreicht die einheimische Kriegsschiffproduktion der Türkei einen historischen Höhepunkt. Das türkische Marineoberkommando hatte im Mai 2025 einen ausführlichen Bericht veröffentlicht, in dem die Fortschritte zwischen 2022 und 2025 detailliert beschrieben werden. Dazu zählt die Indienststellung der im Inland entwickelten und gebauten Fregatte TCG Istanbul, die im März 2024 erfolgreich einen Testabschuss einer HISAR-D-Rakete über die eigens entwickelte Senkrechtstartanlage für Flugkörper (MIDLAS) durchführte. Gleichzeitig wird an sieben weiteren Fregatten der ISTIF-Klasse gebaut. Die TCG Izmir und die TCG Izmit sind bereits vom Stapel gelaufen und sollen bis 2027 in Dienst gestellt werden.

Der Ausbau der Marine beschränkt sich nicht nur auf Fregatten. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass die Konstruktionsarbeiten für den nationalen Flugzeugträger der Türkei (MUGEM) voranschreiten. Der erste Stahlschnitt für die Flugrampe fand am 17. Dezember 2024 statt. Der geplante Flugzeugträger wird deutlich größer sein als das kürzlich in Dienst gestellte amphibische Angriffsschiff TCG Anadolu. Es wird 285 Meter lang sein, eine Verdrängung von 60.000 Tonnen haben und Platz für 55 Flugzeuge verschiedener Typen bieten.

Die U-Boot-Flotte der türkischen Marine erhält mit der Auslieferung der TCG Pirireis im Oktober 2024, dem ersten von sechs neuen U-Booten der REIS-Klasse mit außenluftunabhängigen Antriebssystemen (AIP), eine grundlegende Umgestaltung.

Der Bericht weist darauf hin, dass die Unabhängigkeit auch in Bezug zur Energie in Form von Wasserstoff und Brenngasen vollzogen worden sei, was die Abhängigkeit vom Ausland verringert und die Versorgungssicherheit erhöht. Im nächsten Schritt habe man die völlige Autonomie beim Bau von U-Booten erlangt und baue seit Dezember 2024 das erste U-Boot der MILDEN-Klasse. Bis 2031 sollen insgesamt sechs Einheiten fertiggestellt sein. Das inländische AKYA-Torpedoprogramm ist dem Bericht nach im fortgeschrittenen Testablauf und wird seit Dezember 2023 auch in der TCG Preveze eingesetzt.