Ich finde es richtig, dass der Kölner Rechtsanwalt Mustafa Kaplan im Namen von Erdoğan eine Strafanzeige gegen den Vizepräsidenten des Bundestages Wolfgang Kubicki (FDP) erstattet hat. Das muss Konsequenzen haben, wenn man nicht will, dass diese primitive Vulgärsprache weltweit im Gedächtnis verankert bleibt: die kleine türkische Kanalratte.
Jeder, der halbwegs buchstabieren und laute von sich geben kann, weiß, was es mit dem „Ziegenficker“ auf sich hat. Ein Witzbold namens Jan Böhmermann reimte sich in einem deutschen Spartenkanal einen Song zusammen, um Recep Tayyip Erdoğan als jenen anatolischen Bauernjungen darzustellen, der in Deutschland eigentlich Kahlköpfen zu eigen ist, die sich damit brüsten und zur Höchstform auflaufen. Ist ja nicht nur so, dass der Anatolier dafür bekannt ist, besonders gut zu brennen. Der Anatolier ist auch besonders leicht zu entsorgen: „Paulchen Panther“; „Özoğuz in Anatolien entsorgen.“
Heute kennt das vulgäre Schimpfwort „Ziegenficker“ wohl jeder auf dem blauen Planeten, da es in 12 Weltsprachen übersetzt noch immer die Tageszeitungen aufpeppt, wenn von Erdoğan, Türken oder der Türkei die Rede ist.
Gerade deshalb war es wichtig und richtig, Jan Böhmermann am Nasenring durch die Manegen zu zerren, auch wenn das letztendlich dann für die restliche Welt uninteressant blieb. Es geht hier ums Prinzip. Erdoğan ist ein Staatschef eines Volkes, ein Vertreter eines geschichtsträchtigen Landes.
Wer auch immer meint, seinen individuellen Spaß damit zu haben; geschenkt! Wer aber vor einem Publikum oder öffentlich einen Vertreter eines Volkes beleidigt, darf nicht darauf hoffen, von seinem Recht auf Meinungs- oder Kunstfreiheit Gebrauch machen zu können. Das hat Jan Böhmermann kapiert. Das wird auch Wolfgang Kubicki kapieren müssen.
Ich würde noch weiter gehen und Kubicki bei der nächsten Einreise in die Türkei am Zoll zurückweisen und als Persona non grata erklären. Das wäre dann ein diplomatischer Fußabdruck, der sitzen würde.
Nun befasst sich Mustafa Kaplan mit Wolfgang Kubicki und ich hoffe inständig, er reduziert das nicht nur auf die persönliche Ebene von Erdoğan, sondern verteidigt dabei vor allem das Recht eines Staatspräsidenten; also sein Amt und Würden und damit die eines Volkes bzw. Landes.
Bei Kubicki würde ich auch auf die besondere Schwere der Straftat setzen, zumal Kubicki es nicht nur einmal öffentlich geäußert hat, sondern ein weiteres Mal in den Medien zynisch neu aufsetzen ließ. Der Mann hat weder Anstand noch einen Funken von Reue gezeigt, als man ihn darauf ansprach. Er sieht sich wahrscheinlich sogar im Recht, einen Anatolier als „Kanalratte“ zu bezeichnen.
Nicht einmal mehr die Deutsche Welle DW Türkce wollte die Schwere des Begriffs wortwörtlich übernehmen und übersetzte es schlicht in „Kanalmaus“ („lağım faresi“). Offenbar war man in der Reaktion der DW Türkce selbst ziemlich irritiert darüber, was Kubicki da von sich gegeben hatte, und wollte es so nicht der türkischen Leserschaft zumuten.
Sprich, nicht nur beleidigt, entsorgt oder verbrannt werden die Anatolier, sondern auch bevormundet. Man enthält ihnen vor, was Kubicki gegenüber einem Staatspräsidenten genau gesagt hat. Da wird der Deutsche wiederum von der Deutschen Welle besser informiert, wenn die Kanzlerin oder Kanzler im Ausland in ein schlechtes Licht gerückt werden.
Warum ähnliche Beleidigungen gegenüber deutschen Volksvertretern einen gesellschaftlichen Aufschrei erzeugen, aber Beleidigungen gegenüber ausländischen Volksvertretern geflissentlich ausgesessen werden, ist auch etwas, was hinterfragt gehört. Warum wird das Problem nicht in den Spartenkanälen, der Tagesschau thematisiert oder bei Anne Will diskutiert?
In Deutschland fehlt den marginalisierten Menschen wie den Türken die öffentliche Lobby, die Solidarität fordern könnten. Ist auch kein Wunder, nach dem man die vorhandenen Kümmeltürkenclans in Grund und Boden gestaucht hat, weil sie nicht so parieren, wie man es gern hätte. Nur eine wackere Solidaritätsinitiative namens UID nahm sich offenbar allen Mut zusammen, um dem türkischen Staatspräsidenten solidarisch beiseite zu stehen. Das ist fast schon rührend, so etwas erleben zu dürfen.