Türkei - Neuer Vermittler zwischen Hamas und Israel?

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Mit dem Luftangriff auf die Hamas-Führungsriege in Katar zeigt Israel einmal mehr, dass es auf Krawall gebürstet ist. Die israelische Politelite verhehlen auch nicht mehr, welches Ziel man als nächstes anvisieren sollte: Türkei

Katars Hauptstadt Doha wurde am Dienstagnachmittag von mehreren Explosionen erschüttert. In israelischen Nachrichtentickern wurden danach die israelischen Luftstreitkräfte (IAF) geradezu frenetisch gefeiert. Sie hätten die Hamas-Führung, unter anderem Chalil al-Hajja, dem im Exil lebenden Gaza-Chef und Top-Unterhändler der Hamas, mit gezielten Luft-Boden-Raketen getötet.

Stunden später stellt sich heraus, dass lediglich der Sohn eines der Hamas-Unterhändler unter den Opfern ist. Was macht man in dieser Situation? Man kürt das nächste Land zum Abschuss: die Türkei.

Wie konnte es dazu kommen?

Vor dem Luftangriff auf die Hamas-Führungsriege in Katar hatte US-Präsident Donald Trump, selbsternannter Anwärter für den Friedensnobelpreis, eine "letzte Warnung" an die Hamas ausgesprochen, den jüngsten von ihm vorgestellten Deal für eine Waffenruhe samt Geiselaustausch anzunehmen; mit dem Hinweis, dass Israel bereits zugestimmt habe.

Die Hamas erklärte daraufhin wohlwollend, den Deal in Augenschein zu nehmen; woraufhin die politische Führung in Doha zusammenkam.

Just bei diesem Treffen der Hamas-Führungsriege, bombardierte die IAF das Sitzungsgebäude in Doha; man erklärte danach, die USA darüber vorzeitig informiert zu haben.

Gerade eben erklärte ein US-Regierungssprecher in Washington, dass Israel sie unmittelbar vor dem Angriff informiert habe und Trump faktisch keine Gelegenheit gehabt hätte, zu intervenieren.

Wenn man mal scharf überlegt:

Entweder hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen US-amerikanischen Kollegen Trump regelrecht vorgeführt, ihm vor der Weltöffentlichkeit eine schallende Ohrfeige verpasst, indem er ihn als nützlichen Idioten missbraucht hat, um die Hamas-Führung unter dem Vorwand von Waffenruheverhandlungen an einem Ort zusammenzubringen...

… oder aber, Trump hat dieses Spiel bewusst mitgespielt.

Letzteres kommt eher in Frage. Es gab von Anfang an kein ernst gemeintes Angebot für eine Waffenruhe. Man wollte eher eine Gelegenheit schaffen, um die politische Führung der Hamas auszuschalten.

Das ist aber auch nicht wirklich interessant! Selbst wenn Trump unterstellt wird, ein nützlicher Idiot gewesen zu sein, er selbst wird sich so positionieren, dass er das Spiel bewusst mitgespielt habe.

So oder so: jedem sollte nun klar sein, dass sich diese israelische Regierung weder um das Leben ihrer Geiseln schert noch ein Interesse am Ende dieses genozidalen Vernichtungskrieges in Gaza und Erweiterung von Lebensraum in Westjordanland hat.

Bemerkenswert ist, wie schnell sich die israelische Politelite auf den nächsten "Feind" fixiert hat. Der Switch von Katar auf die Türkei war geradezu generalstabsmäßig; es wurde von einem Politologen auf X angestoßen, vom Knessetsprecher auf X ausgeschmückt und wird gegenwärtig von der Politelite auf X geradezu frenetisch breitgetreten.

Und wieso?

Katar hat sich nach dem israelischen Luftangriff aus den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas ausgeklinkt. Das heißt das Doha der Hamas nicht mehr die Sicherheit garantieren will / kann.

Die Hamas hat aber einen weiteren Rückzugsraum: die Türkei. Katar wollte nicht zwischen Israel und der Hamas stehen, ihren Einfluss aber angesichts der israelischen Besatzungspolitik zugunsten der Hamas ausüben. Die katarische Königsfamilie Al Thani ist ein klarer Unterstützer der palästinensischen Sache, genauso und sogar noch stärker als der enge Verbündete, dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Doch sein Land ist klein, von den USA nicht ganz unabhängig.

Erdoğan ist aber gemessen an Al Thani eine ganz andere Nummer. Und das wurmt die völkermörderische israelische Politelite gewaltig. Denn, die Türkei drückt Israel nicht nur auf den linken Zeh, sondern gleichzeitig auf den rechten Zeh und bereitet mit Syrien, Somalia und Libyen erhebliche Kopfschmerzen. Zudem juckt es die Türkei nicht wirklich, wenn Drohgebärden aus Washington eintrudeln; denn darin hat sie Erfahrung.

Mit der Machtübernahme von Ahmed al-Scharaa in Syrien hat Israel gegenüber dem Iran ein noch größeres Problem am Hals, weil die Türkei ihr am Nacken sitzt. Sollte Israel beschließen, auch dort Hamas-Gruppierungen anzugreifen, syrisches Territorium annektieren, könnte die Türkei nicht nur Informationen und Waffen an Syrien liefern, sondern auch weitere Soldaten entsenden, um die vorhandenen Kontingente aufzustocken.

Mit den jüngsten Luftangriffen auf militärische Objekte in Syrien zeigte Israel erneut, dass es die Lage sehr ernst nimmt. So ernst, dass man Washington schon vor längerem um Rat und Tat bettelte, damit die Türkei die Füße stillhält.

Bislang hat Ankara nicht auf die Sticheleien und Drohgebärden Washingtons reagiert. Weder hat Ankara bislang die Hamas-Führung in Istanbul aus der Gleichung genommen, noch ist sie gewillt, auf Geheiß Washingtons deren Finanzquellen einzufrieren.

Der türkische Außenminister Hakan Fidan, einst Nachrichtendienstchef der MIT, zeigte dies vor einem Monat im Rahmen eines Treffens mit der Hamas-Politführung in Istanbul, was man vom westlichen Zaumpfahl hält: angesichts der ethnischen Säuberungen in Gaza und Westjordanland, rein gar nichts!

Und das Ankara in der Frage der eigenen Sicherheit keine Grenzen kennt und grenzüberschreitende Operationen aus dem Stand heraus mobilisieren kann, haben Washington und Moskau sowie deren Koalitionspartner in Syrien mehrmals hautnah miterlebt.

Wenn man verstehen will, warum Israel bislang nicht gegen hochrangige Hamas-Mitglieder in Istanbul vorgegangen ist, könnte die Antwort in einem etwa drei Jahre alten Bericht der „Intelligence Online“ liegen. Demnach unterzeichneten der israelische und der türkische Nachrichtendienst 2022 ein Abkommen, das eine Reihe von Klauseln enthält, darunter die israelische Verpflichtung, die für gezielte Attentate zuständige Mossad-Einheit „Bayon“ gegen Palästinenser in der Türkei nicht zu aktivieren und an der kurzen Leine zu halten. Diese Klausel setzte damals Fidan als Chef des MIT energisch durch, nach dem er einige „Bayon“-Zellen Hopps gehen ließ.

Es wäre keine Überraschung, wenn die Türkei unter dem türkischen Außenminister Hakan Fidan die Vermittlerrolle von Katar übernimmt, nach dem diese schon vom Iran und jetzt von Israel angegriffen worden ist. Angesichts der Rolle Netanyahus in der Haltung zur völkisch-kurdischen Terrororganisation PKK in der Türkei sowie der YPG in Syrien, fällt es einem schwer zu glauben, dass Ankara hier kein deutliches Zeichen setzt.