Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die staatliche Entsendung von Imamen aus dem Ausland reduzieren und so die eigenen politischen Parameter durchsetzen. Sogenannte Islamexperten fordern entlang dieser Parameter Alternativen und setzen dabei auf Moscheesteuer und Zwangsimame. "Liberale Muslime" blasen ins selbe Horn, um sich ins gemachte Nest zu setzen, statt sich selbst eine islamische Gemeinde zu erarbeiten. Der Schlagabtausch zwischen den verschiedenen Parteien verdeckt grundsätzliche Gemeinsamkeiten, nämlich ihre komplizenhafte Gegnerschaft.
Das ganz große "Problem"
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V., kurz DITIB, vereint über 900 Moscheen mit rund 200.000 Mitgliedern, in denen über 1.000 Imame religiöse wie soziale Arbeit leisten und seit 1984 von der Türkei entsendet werden.
Daneben gibt es noch die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e. V. mit über 127.000 Mitgliedern, die über 300 Moscheen unterhalten und seit 1995 aktiv sind. Im Gegensatz zur DITIB werden die Imame selbst ausgebildet und den Vereinen zur Verfügung gestellt. Und es gibt noch kleinere türkisch-islamische Gemeinschaften wie die Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V. (ATİB), denen rund 130 Moscheevereine mit etwa 12.000 Mitgliedern angegliedert sind. Bei den Imamen der von der ATİB betriebenen Moscheen handelt es sich teilweise um Imame aus der Türkei, deren Kosten zum Teil selbst getragen werden.
Alle Moscheevereine vereint ihr starker Auftritt in Deutschland in Form von Moscheen, Sozialräumen, Angeboten zu religiösen, gesellschaftlichen und praktischen im Alltag. Das nehmen Mitglieder und vor allem auch Besucher rege in Anspruch, quittieren das mit Spenden. So finanzieren sich die Moscheevereine seit Jahrzehnten.
Das viel größere "Problem"
Deshalb sind diese türkisch-islamischen Moscheevereine und Verbände unabhängig. Sie stehen der Bundesregierung politisch nicht nahe. Es gibt lediglich nur eine Handvoll Vereine, die sozusagen "liberale Werte" pflegen und die Bundesregierung bei der Durchsetzung der politischen Parameter unterstützen. Diese marginalen Vereine inszenieren sich dabei selbst, um sich so größeren Publikum zu verschaffen, Reichweite zu erlangen - was ja bislang mager ausfiel, auch wenn diese sich dabei an der DITIB, Millî Görüş oder ATİB regelrecht abgearbeitet haben.
Auch das Heranziehen dieser Kleinstvereine samt der umstrittenen "Islamexperten" in die Islamkonferenz, konnte daran nicht viel ändern oder die größeren türkisch-islamischen Verbände derart ins Schlingern bringen, dass deren "illiberale" Haltung gegenüber den Kleinstparteien und der Bevölkerung endlich - gewollt - zum Vorschein kommt und einen Grund dafür bietet, deren Stecker zu ziehen. Das mit der Islamkonferenz war und ist ja so eine Sache: wer nicht im Rampenlicht stehen und nicht gejagt werden will, soll in einen furchtbaren Dialog um Bedrohungsszenarien eingebunden werden, um einer wie auch immer gearteten Legitimation über bestimmte Themen und politisches Handeln in der Not zuzustimmen. Aber die großen wie kleinen Verbände trugen es mit Fassung, ließen sich zu nichts hinreißen.
Suche nach Lösungen
Seither suchen Bundesregierung und sogenannte "Islamexperten", ja sogar Religionssoziologen an der Universität Osnabrück, nach Alternativen, um den großen Verbänden die politischen Parameter aufzuoktroyieren. Die Vorstellung, Experten und Religionssoziologen könnten durch ihr objektives Wissen die Probleme lösen helfen, ist eine nette, aber keineswegs selbstlose Idee. In Zeiten knapper werdender Mittel und Stellen sichern sich "liberale Vereine", Religionssoziologen und "Islamexperten" ihre Position, indem sie sich am herrschenden Diskurs rege beteiligen, der auf eine Repression der weniger "gefährlichen" Muslime und eine reibungslose Integration der vielen "gutmütigen" abzielt.
Dabei spielt die Integrationsindustrie eine maßgebliche Rolle. Alle Sorten von Islam-Bedrohungs-Aufklärungs-Literatur gehören seit Jahren zum Spiel um die Deutungshoheit, das unterschiedliche Akteure der herrschenden Regierungen, Akademiker, Politiker, Journalisten zu ihrem eigenen Vorteil auszuspielen versuchen.
Weil es an Bares und Interesse an Parameter-Imamen jedoch offensichtlich mangelt, führen die "Islamexperten" sowie "liberalen Muslime" stets Beschwerde und fordern Abhilfe. Von in Islamkollegs ausgebildeten deutschen Imamen ist die Rede, die auch noch von eben jenen Religionssoziologen ausgebildet werden, aus der die Alternativvorschläge ja kommen. Von einer Moscheesteuer ist die Rede, um sich diesen Irrsinn auch noch finanzieren und leisten, dabei vorgeben zu können, die religiöse Neutralität zu wahren. Und man will das damit voranbringen, in dem man Auslandsimamen die Einreise verweigert und sozusagen eine Notlage schafft. Richtig clever dieses Triumvirat...
Kein Problem weniger, sondern die Abschaffung der religiösen Neutralität
Wie man sieht, zahlreiche Probleme, mit der die Bundesregierung seit Anfängen der Islamkonferenz zu kämpfen hat und dabei stets vorgibt, die religiöse Neutralität zu wahren. Also erhöht man die Schlagzahl der Bedrohungslage, wirft nachgekaute mutmaßlich rationale Gegenstrategien in den Raum, die allerdings gegenüber den bedrohlichen "politischen Gegnern" durchgesetzt werden müssten.
Dabei wäre es doch am einfachsten, die Bundesregierung fördert die Islamkollegs und die darin ausgebildeten deutschen Imame werden aus diesem Pool freiwillig angenommen und entsprechend vergütet. Doch stets schwingt dabei offensichtlich die Frage mit, wo der Überschuss an Absolventen der Islamkollegs unterkommen soll, denn...
Da wären zum einen die türkisch-islamischen Verbände, die mit der bislang gefahrenen und etablierten Imam-Regelung gut bedient sind und keine Anstalten hegen, daran etwas zu ändern. Höchstwahrscheinlich würde man sogar eigene Imame bevorzugen, statt die dargebotenen politisch motivierten Imame aus Osnabrück anzunehmen. Warum auch, wenn Mitglieder wie auch die regelmäßigen Besucher der Moscheen mit der gegenwärtigen Lösung glücklich sind, in der türkische Kultur und Islamverständnis prägnant ist? Wie sie merken, stehen sich Pläne und Gedankengänge der Bundesregierung sowie die der sogenannten "Islamexperten" und "liberalen Muslime", den Interessen der Muslime diametral entgegen.
Und noch etwas kreuzt die Pläne und Gedankengänge: Die Größe, die Mitgliederzahl sowie die Besucherzahl der zuvor aufgezählten und nicht genannten großen wie kleinen Moscheeverbände; deren muslimische Community auch keine Anstalten hegt, irgend etwas daran zu ändern. Denn diese Community bestimmen mit, was sie für Leistungen erwarten, welche Werte gepflegt werden oder welche religiösen Inhalte geteilt werden sollen. Und das ist ja die gelebte Religionsfreiheit in Deutschland!
Das wurmt natürlich gewaltig, weshalb man erst mit dem Zaunpfahl (während der Islamkonferenz den Eid auf die deutsche Verfassung ablegen lassen) winkte um dann auf Drohungen wie nach Zwangsabgaben und Zwangsimame überzugehen. Offensichtlich soll mit Zwang das herbeigeführt werden, was eine Handvoll "liberaler Muslime" seit mehreren Jahren nicht zu schaffen im Stande waren und sind. Sie bekommen keinen Zulauf, wie sie es sich trotz der geschaffenen Feindbilder erhofft haben. Sie hofften eine Revolution anzustoßen, stellten jedoch resigniert fest, dass die Lage für sie düster ist. Jetzt hoffen sie auf politische Hilfe und Unterstützung von ganz oben, denn das Gemeindeleben der türkisch-islamischen Bürger selbst hat ihnen ein Streich gespielt.
Ob nun von der Türkei oder Deutschland abhängig, geschenkt!
Dabei vergessen diese "liberalen Vereine" und "Islamexperten" selbst, dass sie sich damit in eine politische Abhängigkeit begeben, ihre finanzielle Abhängigkeit türkisch-muslimischen Bürgern aufbürden und sich dabei sogar mit Zwangsmaßnahmen solidarisieren können, um in dessen Genuss zu kommen. Es ist beinahe schon Tragikomödie, dass das auch noch politisch mitgetragen wird.