Der deutsche Rechtsstaat und die Kopfnuss ohne Folgen

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Ein türkischer Unternehmer wird vom FETÖ-Terrornetzwerk geradezu in den Ruin getrieben. Jahrelang kämpft er um Gerechtigkeit, ohne ein Ergebnis zu erzielen. Schlimmer noch, er wird selbst von der Justiz bedroht und angeklagt. Der gescheiterte Putschversuch kommt ihm wie eine Rettung vor. Jetzt, sieben Jahre nach dem FETÖ-Coup, sieht er ein Lichtblick und vertraut erstmals wieder auf die Justiz. Ein Erlebnis kann und will er dabei nicht vergessen: eine Kopfnuss und ein blaues Auge in Mannheim, die folgenlos bleibt.

Deutsch-Türke und die Bank Asya

Alber Rıfat Bayraktar ist in Deutschland wie auch in der Türkei unternehmerisch tätig. 2010 geht er mit einer Person eine Geschäftsbeziehung ein und startet ein Projekt die finanziert werden soll. Die Bank Asya tritt hervor, gibt einige Hundert Millionen Kredit an den Geschäftspartner, der zuvor schon mit der Bank gearbeitet hat. Bayraktar ahnt nicht, dass diese Zusammenarbeit fingiert ist und der eigentlich veranschlagte Kreditrahmen weit über dem Rahmen liegt, geradezu exorbitant ist.

Monate später wird ihm dieser Kreditvertrag zum Verhängnis. Die Bank Asya will plötzlich ihr Geld zurück - an die 400 bis 500 Millionen wie es nun heißt - und hat bereits eine Vollstreckung durchgesetzt. Bayraktar springt in den Flieger, eilt zur Bank und erfährt dort, dass der Geschäftspartner angeblich die Bank betrogen hat. Man gibt Bayraktar zu verstehen, dass die gesamte Last nun auf ihm ruht und man ihm daher einen Vorschlag unterbreite, um es zu bereinigen.

Bank Asya setzt Deal durch

Die Bank Asya gibt vor, einige Unternehmensstrukturen komplett zu übernehmen, an anderen beteiligt zu werden, um die Vollstreckung abzuwenden. Bayraktar geht notgedrungen auf den Deal ein. Aber, der Deal hält nur neun Monate. Die Bank Asya will danach erneut den gesamten Betrag oder übernimmt alles, was Bayraktar bislang mühselig aufgebaut hat.

Deal geplatzt - Zekeriya Öz soll es richten

Ratlos sucht er Beistand bei Anwälten, die ihm anraten bei dieser Angelegenheit Generalstaatsanwalt Zekeriya Öz anzusprechen und zu erörtern, weil es sich hier um eine große Bank handle. Bayraktar schnappt sich alle Unterlagen und Belege, sucht Öz auf, der mittlerweile die Mammutprozesse "Balyoz" und "Ergenekon" eingeleitet hat. Öz und Generalstaatsanwalt Cihan Kansız erklären, es sei schwierig, aber machbar. Man werde sich drum kümmern, heißt es. Monate vergehen, ohne das sich etwas in der Sache bewegt.

Zekeriya Öz auf Seiten der Bank Asya

2013 wird Bayraktar von der Bank Asya und deren Vorstandsmitgliedern Behçet Akyar und Zafer Ertan unvermittelt angerufen, sie erwarten ihn in der Bank. Im Büro wird Bayraktar von Behçet Akyar und Zafer Ertan empfangen, mit im Zimmer ist auch Zekeriya Öz. Bayraktar wird scharf angegangen, während Öz andeutet, in den Diensten der Bank zu stehen. Als Akyar fragt, was es mit der Anzeige von Bayraktar auf sich hat, erklärt Öz, er habe den Fall ad acta gelegt, es werde nicht mehr weiterverfolgt.

In die Falle getappt

Bayraktar fallen die Schuppen von den Augen. Er weiß, dass er alles verliert, sogar auf Schulden sitzen bleibt und weil es sich um einen sehr hohen Kreditbetrag handelt, der angeblich erschlichen wurde, sogar eine Strafanzeige droht und dies nun daran hängt, ob er das unkommentiert hinnimmt oder nicht. Dennoch reicht er beim Strafgericht direkt Anklage gegen die Bank Asya ein, die Ermittlungen werden unter Geheimhaltung geführt.

Zekeriya Öz flieht außer Landes

2015 kommt Bewegung in den Fall, im August 2015 flieht Zekeriya Öz außer Landes, 2016 wird die Bank Asya im Zuge der Untersuchung der Bankenaufsicht und der Strafverfolgungsbehörden zerschlagen und abgewickelt, nach dem man feststellt, dass die FETÖ die Bank Asya als Finanzinstrument genutzt hat. Nach dem gescheiterten Putschversuch wird Öz wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ und „Versuch zum gewaltsamen Sturz der Regierung“ gesucht.

Justiz löst gordischen [FETÖ] Knoten auf

In der Zwischenzeit wird auch der Fall Bayraktar von Staatsanwälten minutiös aufgeschlüsselt, Beweise gesichert. Bayraktar sieht Licht am Ende des Tunnels, hat sich in Deutschland wieder etwas aufgebaut, als er einen Anruf von einem Mitarbeiter erhält. Dieser gibt an, Zekeriya Öz in einem Mannheimer Restaurant gesehen zu haben. Bayraktar springt in den Wagen, braucht nur eine Viertelstunde und steht im Restaurant vor Zekeriya Öz. Bayraktar spricht Öz an, ob es sich gelohnt habe, dafür, dass er nun in der Türkei landesweit gesucht werde. Öz antwortet neckisch. Bayraktar kann sich nicht mehr beherrschen, hat aufgrund dieser Person alles verloren und wird von ihm auch noch dafür belächelt. Er gibt unmittelbar eine Kopfnuss, gefolgt von einem Faustschlag.

Deutsche Beamte und Zekeriya Öz beim Kebap-Dinner

Was dann folgt, kann man bestenfalls in Agenten- und Spionagefilmen erleben. Mehrere Personen stürzen sich von den umliegenden Tischen im Restaurant auf Bayraktar, fixieren ihn, während Zekeriya Öz aus dem Restaurant geführt und in ein Fahrzeug gesetzt wird. Bayraktar wird in einen Bus verfrachtet, wo er von Beamten befragt wird. Bayraktar erklärt, er habe noch eine offene Rechnung mit Öz, er habe sein Leben zerstört. Die Beamten lassen Bayraktar wieder gehen.

Resümee

Zekeriya Öz floh im August 2015 nach Aufnahme von Ermittlungen gegen ihn außer Landes. Ermittlungen ergaben, das Öz ein Mitglied der FETÖ ist und mit seiner Handlungsfreiheit als Generalstaatsanwalt massive Rechtsbrüche begangen hat und nach Deutschland geflohen ist. Die Bundesregierung gibt seither an, Zekeriya Öz nicht habhaft zu sein.

Nach dem gescheiterten Putschversuch wird Öz in einem Mannheimer Restaurant gesichtet. Bayraktar kann aufgrund seiner vornehmen und gepflegten Erscheinung ungehindert bis an Öz herantreten und schlägt ihn mit einer Kopfnuss nieder. Ein Faustschlag trifft zusätzlich noch das Auge. Sicherheitskräfte, die laut Bayraktar im Restaurant postiert sind, greifen ein, werfen Bayraktar auf den Boden und fixieren ihn, während Öz in Sicherheit gebracht wird. Bayraktar kann nach einer kurzen Vernehmung wieder nach Hause, es wird keine Anzeige erstattet.

BND sieht in Gülen-Bewegung keine Gefahr

2017 widersprach der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) Bruno Kahl der türkischen „Lesart“, wonach die Bewegung des Sekten-Predigers Fethullah Gülen [FETÖ] hinter dem Putschversuch steckt. „Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen“, sagte der BND-Präsident. Ebenso widersprach er der von der Türkei propagierten Aussage, die Gülen-Sekte sei eine islamisch-extremistische oder gar terroristische Bewegung: „Die Gülen-Bewegung ist eine zivile Vereinigung zur religiösen und säkularen Weiterbildung.“

Asyl oder Unterschlupf?

Nichtsdestotrotz werden mehrere namhafte Persönlichkeiten, die mit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei oder der FETÖ unmittelbar in Verbindung stehen und in Deutschland mehrmals gesehen wurden, von Deutschland trotz eines türkischen Auslieferungsantrags nicht ausgeliefert. Überdies gibt man vor, den Aufenthaltsort nicht zu kennen. Was der Staat zu verheimlichen versucht, wird von der deutschen Medienlandschaft gar nicht erst hinterfragt. Man interessiert sich schlichtweg nicht dafür, warum und weshalb zwielichtige Gestalten in Deutschland unter dem Schutz des BND, BKA oder LKA stehen.

Nicht das erste Mal, dass die deutschen Sicherheitsbehörden auffliegen. 2017 berichtete als einziger der TAGESSPIEGEL im Klartext, wem die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı nach langer Recherchearbeit in Deutschland auf die Schliche kam: Adil Öksüz, der Blackbox der Gülen-Sekte und des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei. Öksüz befand sich demnach in Berlin. TAGESSPIEGEL schaffte es auch als einziger, das LKA in Berlin darauf anzusprechen und herauszufinden, dass die Bundesregierung den Mann inoffiziell deckt. Denn, kurz vor Eintreffen der Anadolu Ajansı im Wohnort von Adil Öksüz in Berlin, wurde Öksüz von LKA-Beamten rechtzeitig in eine andere nicht bekannte Adresse verlegt.