Der französische Senat hat am Mittwoch einem Sanktionsentwurf zugestimmt, in der Aserbaidschan im Konflikt um Bergkarabach als Aggressor bezeichnet wird, der armenisches Gebiet erobert habe. Baku reagierte mit Protest und einer Reihe von Maßnahmen.
Bei den Beratungen über den von französischen Senatoren wie Bruno Retailleau, Christian Cambon, Eliane Assassi, Patrick Kanner, Herve Marseille und Gilbert-Luc Devinaz eingebrachten Antrag stimmten 295 mit „Ja“ gegen 1 „Nein“ und 36 „Enthaltungen“.
In der unverbindlichen Resolution wurde die französische Regierung aufgefordert, die aserbaidschanische Regierung aufzufordern, ihre Streitkräfte und ihre Verbündeten aus den Gebieten zurückzuziehen, die angeblich zu Armenien gehören würden.
In der Entschließung forderten die Senatoren die französische Regierung zudem auf, die Beschlagnahme von Vermögenswerten von aserbaidschanischen Unternehmern und Regierungsvertretern als Sanktionsmaßnahme anzuwenden und das Embargo für aserbaidschanisches Gas und Öl in Erwägung zu ziehen.
In dem Antrag wird die Regierung auch aufgefordert, ein Büro für humanitäre Hilfe im noch von armenischen Streitkräften in Teilen besetzt gehaltenen Bergkarabach zu eröffnen. Frankreich müsse außerdem ihre Unterstützung für Armenien auf jede erdenkliche Weise leisten.
Andererseits forderten die Senatoren die Regierung auf, sich für die Gewährleistung der Sicherheit Armeniens und seines Volkes in der von international anerkannten Grenzen einzusetzen und in diesem Zusammenhang den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu fordern.
Demonstrationen vor französischer Botschaft
Aserbaidschan reagierte auf die heute vom französischen Senat angenommenen Antrag scharf. In Ankara demonstrierten aserbaidschanische NGO vor der französischen Botschaft. Sie forderten in Sprechchören den Boykott von französischen Waren in Aserbaidschan und die Sanktionierung von Regierungsvertretern. Ferner erklärte der Sprecher der Gruppe Aygün Attar, dass die aserbaidschanische Regierung weitergehende Sanktionsmaßnahmen in die Wege leiten sollte.
Parlament fordert Baku zu entschiedenen Reaktionen auf
Das aserbaidschanische Parlament verabschiedete noch am späten Nachmittag eine Gegenerklärung zum Sanktionsbeschluss des französischen Senats. Demzufolge fordert das Parlament in einem ersten Schritt die Regierung auf, die Vermögenswerte französischer Vertreter in Aserbaidschan einfrieren. Zudem fordert das Parlament die Regierung auf, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Frankreich auf den Prüfstand zu bringen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Französische Unternehmen sollen nach dem Willen des aserbaidschanischen Parlaments von Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Das gilt laut der Erklärung auch für den Energiesektor wie auch den Export von Energieträgern wie Öl und Gas. Das aserbaidschanische Parlament forderte die Regierung zudem auf, die französische Kolonialpolitik und deren Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei den Vereinten Nationen in den Tagesordnungspunkt bringen. Dabei müsse auch die französische Islamophobie-Politik im Rahmen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit sowie die antitürkische Politik Frankreichs im Rahmen der Organisationen der Turkstaaten auf den jeweiligen Tagesordnung gebracht werden.
Konfliktherd Bergkarabach
Seit dem Ende des Zweiten Bergkarabach-Krieges oder „44-Tage-Krieges“, der zwischen September und November 2020 zwischen armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften ausgetragen und durch einen von Moskau vermittelten Waffenstillstand beendet wurde, kam es immer wieder zu sporadischen Grenzkonflikten. Die sporadischen Zusammenstöße zwischen den Konfliktparteien halten trotz des Einsatzes russischer Friedenstruppen weiterhin an.
1991 hatte eine armenische Separatistengruppe im aserbaidschanischen Bergkarabach die Unabhängigkeit ausgesprochen. Ab 1992 kam es nach dem Massaker von Chodschali zu Gegenoffensiven Aserbaidschans, bei der Russland auf seiten Armeniens den Konflikt weiter schürte. Beim Waffenstillstand 1994 kontrollierte Armenien einen Großteil Bergkarabach und eine Pufferzone zu Aserbaidschan. Nach 1994 gab es mehrere gescheiterte Vermittlungsversuche sowie wiederholt Kampfhandlungen. Nach Gefechten im Sommer 2020 kam es Ende September zu einem erneuten Krieg. Am 9. November 2020 unterzeichneten beide Konfliktparteien eine erneute Waffenruhevereinbarung unter Vermittlung Russlands.