Ist doch überraschend, dass einzelne westliche Staaten ihren moralischen Kompass in Bezug zu Gaza nach 22 Monaten des Mordens und Zerstörens in 4K-Livestream plötzlich wiederentdeckt haben. Warum beschließen nun Länder wie Frankreich, Großbritannien und Kanada plötzlich, Palästina anzuerkennen?
In den Erklärungen lassen die Staatschefs durchblicken, dass es dabei eine neue Wendung gebe. In der eigenen Bevölkerung hat man aber offenbar die "neue Wendung" verpasst, den plötzlichen Sinneswandel der Regierungschefs versteht man nicht und schießt entsprechend gegen diese Absichtserklärungen. Gegen die Absicht, Palästina anzuerkennen, werden Petitionen eingerichtet, offene Briefe verfasst, Fraktionen gegründet, nur um die Absicht zu untergraben. Es scheint, als ob diese Entwicklung, die doch bei vielen Hoffnungen erweckte, etwas anderes ist. Dieser plötzliche Sinneswandel lässt nichts gutes erahnen. Vorboten einer anderen Entwicklung?
Auf einer UNO-Konferenz in New York forderten jüngst mehrere arabische Staaten ein Ende der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen, die von Großbritannien, Frankreich und Kanada unterstützt wurde. Voraussetzung für eine Zweistaatenlösung sei jedoch ein Ende des Gaza-Krieges, zu dem sich Israel klar bekennen müsse. Ob Israel das zu Herzen nimmt?
Was nun erst Gaza dann dem Westjordanland bevorsteht, ist der letzte Schritt, den Israel von Anfang an geplant und entsprechende Schritte hierzu unternommen hat: die Annexion des Gazastreifens und des Westjordanlands.
Nicht erst in den letzten Tagen wurde in Tel Aviv und Washington immer häufiger darüber gesprochen, sondern es war ein langer Prozess, dessen Ziel es ist, den Palästinensern sprichwörtlich den Teppich unter den Füßen zu ziehen: Der Plan zur „Annexion des Westjordanlands“, den das israelische Parlament kürzlich mit 71 zu 13 Stimmen angenommen hat, war nicht irgendein Plan, sondern eine Etappe des Plans.
Nachdem Frankreich und Großbritannien erklärt hatten: „Wir werden Palästina anerkennen“, plärrten israelische Minister nicht umsonst: „Das ist ein weiterer Grund, unsere Souveränität zu stärken.“
„Welcome to Gaza – Riviera of the Middle East!“
Israel hatte nie die Absicht, den Gazastreifen zu verlassen oder gar das Korsett, um das Eiland zu lockern. Die Situation in Gaza wird gänzlich von Israel beherrscht: „Wenn uns jemand zuvorkommen oder von dort weghaben will, soll kommen und es versuchen.“ Israel hat hierzu alle Türen zugeschlagen und stellt sich komplett auf Stur: Die Vereinten Nationen sind Hamas-affin, der UNHCR, die UNICEF, das Rote Kreuz, sie alle sind Hamas-Sympathisanten, daher erkenne man deren Urteile nicht an, dementsprechend kann man sie auch vor die Türe setzen. Im Grunde ist Israel der Hausherr im Nahen Osten. Und darüber hinaus...
Europäische Nationen, die ihre Absicht darlegten, Palästina anzuerkennen, droht Israel nun zu boykottieren. Soviel Eier muss man erst besitzen... die auch gekrault werden wollen...
Es gibt diesen einen, der krault, der das ganze überwachen und absegnen soll: Die US-Regierung. Es gibt eine Geschichte, die US-Präsident Trump seit Monaten immer wieder erzählt und die Position Israels noch einmal unterstreicht: „Vor Jahren übergab Israel Gaza den Palästinensern. Was geschah dann? Es war das schlimmste Immobiliengeschäft der Geschichte. Die Übergabe Gazas an die Palästinenser brachte keinen Frieden“, sie sind alles andere als unschuldig.
Die größte Geldgeberin von Trumps letzten drei Präsidentschafts-Wahlkampfkampagnen, war die israelisch-amerikanische Milliardärin Miriam Adelson. Eine der Forderungen von Miriam Adelson war, dass die US-Regierung die Annexion des Westjordanlands anerkennt. Eine andere, dass Trump u. a. die palästinensischen Schreie in den US-Elite-Universitäten verstummen lässt. Diesen Part hat Trump längst erfüllt...
Das Ergebnis u. a.: Mahmoud Khalil, ein algerisch-palästinensischer Aktivist und ehemaliger Doktorand der Columbia University, der mit seiner Rolle bei den pro-palästinensischen Protesten an der Columbia University im Jahr 2024 Bekanntheitsgrad erlangte, wurde von der US-Einwanderungs- und Zollbehörde verhaftet und ohne Gerichtsurteil zügig und rechtswidrig abgeschoben.
Donald Trump machte auch kein Hehl daraus, wie er zu der ganzen Sache steht, insbesondere zu Annexionsplänen Israels. Im Februar erklärte Trump im Weißen Haus auf die Frage eines Journalisten „Wann werden Sie die israelische Souveränität über das Westjordanland anerkennen?“ lapidar: „Ihre Leute machen sehr gute Lobbyarbeit. Wir werden bald eine Ankündigung machen.“
Noch am selben Tag beschrieb Trump schamlos seine/Netanyahus Ambitionen, Gaza zu übernehmen und so zu regieren, dass es nie wieder zurückgegeben wird.
Das sind Vorboten, weshalb Länder wie Frankreich, England und Kanada voreilig ihre Anerkennung Palästinas verkünden. Ein verzweifelter Versuch, nach über 22 Monaten der Untätigkeit und des Schulterschlusses mit Netanyahu, das unweigerlich auf sie zukommende, aufhalten zu wollen. Und Netanyahu? Der denkt sich, was kommt, dass lässt sich nicht mehr aufhalten!
Die entscheidende Frage steht aber noch im Raum. Was macht Trump, was wird er in Bezug zu Westjordanland, Gaza, ankündigen? Wird er die Abstimmung der israelischen Knesset über Westjordanland und später Gaza, anerkennen? Wird er die illegale Siedlungspolitik im Westjordanland als legal bezeichnen? Wird er gar zusehen, wie Gaza in eine Riviera verwandelt wird? Wird Trump die großzügige Geldspenderin vor den Kopf stoßen wollen?
Und die arabischen Staaten, die Türkei? Werden sie dabei zusehen? Die Golfstaaten und Ägypten werden es tunlichst vermeiden, sich gegen die Annexionen aufzulehnen, aber massive Probleme mit der eigenen Gesellschaft bekommen, zumal diese bereits jetzt mit rigider Unterdrückung im Zaum gehalten werden müssen. Die Türkei wird hierzu ebenfalls nichts unternehmen, im Gegenzug in Syrien Geländegewinne verbuchen können. Ich denke, hier hat Trump bereits erste Zeichen mit seinem Syrien-Sondergesandten gesendet. Die Türkei hat eigentlich schon viel getan, mehr geht nach dem Völkerrecht nicht: Rückzugsraum für die Hamas - so wie Europa der PKK, und von Beginn an Druck auf Netanyahu über die Weltöffentlichkeit.
Was bleibt dann den Palästinensern noch übrig? Entweder der geschlossene Kampf, der Befreiungsschlag und Ausbruch oder die sich längst anbahnende gewaltsame Vertreibung. So Leid es einem auch tut, ein Volk das sich nicht geschlossen zeigt, gegen die Annexion wehrt - und ich meine dabei mit dem Leben, dessen Zukunft ist längst besiegelt.