Antisemitismus und der Gaucksche Versprecher

Okunacak dil: GERMAN

 

Antisemitismus wurde in Deutschland lediglich transformiert und nicht etwa überwunden. Er findet nun seinen lauten Ausdruck in Antiarabismus und Islamophobie, der mit dem Israel-Gaza-Krieg einen verstärkenden Resonanzkörper gefunden hat. Statt der "Judensau" ist es nun der "dreckige Araber".

Seit der Ära Adenauer hatte sich der philosemitische Antisemitismus entwickelt und lässt sich vor allem mit einem Interview des ZDF mit Joachim Gauch sehr gut erklären. Hier erkennt man die fleischgewordene Staatsräson: Kinder und Enkel der Täter in blindwütiger Solidarität mit den zu Mördern gewordenen Kindern und Enkeln der Opfer.

Dieses denkwürdige, aufwühlende, entlarvende Interview des ZDF-Lanz mit Gauck. Ich versuche seit langem zu verstehen, wie das proisraelische Deutschland tickt. Gauck ist in gewisser Weise die fleischgewordene deutsche Staatsräson.

Ich sehe hier einen Mann, der sich verweigert. Er verweigert sich der Erkenntnis, der Einsicht. Er hat Angst davor, in den Spiegel zu blicken. Gauck ist ein echter Antisemit. Nicht aus weltanschaulicher Überzeugung, sondern als Resultat seiner Sozialisation und Enkulturation. Er reagiert auf seinen eigenen Antisemitismus, in dem er einen idealisierten Juden imaginiert. Er bezeichnet sich selbst als Philosemiten - fast wäre ihm ein Freud’scher Versprecher unterlaufen "ich bin ein Anti... ähh ... Philosemit".

Der deutsche Philosemitismus ist die Vollendung und Konsequenz des Holocaust. Die Deutschen haben die realen Juden aus ihrer Mitte getilgt und durch eine fast schon metaphysisch überhöhte ideelle Figur ersetzt. Zur Läuterung, zur Andacht. Sie verweigern sich so der Erkenntnis und der Einsicht, dass Juden tatsächliche, reale Menschen sind - als solche auch Fehl und Tadel haben, fähig sind Schlechtes und Böses zu tun.

So fehl- und tadellos dieser "ideelle Jude", so tugendhaft und edel auch "sein" Staat. Das steckt also dahinter, wenn gerade deutsche Verantwortliche - häufig völlig zusammenhanglos und unpassend - fast jedes Statement einem Glaubensbekenntnis gleich mit der Bezeugung beginnen, dass Israel eine Demokratie sei.

Es sind diese "Philosemiten", die in Wahrheit Israel mit zweierlei Maß messen, dem Land und seinen Menschen die Fähigkeit absprechen, zu tun, was Menschen und Staaten eben mitunter auch tun: Verbrechen begehen, eigennützig und unmoralisch sein.

So wagt es Gauck nicht, über seinen Schatten zu springen und auszusprechen, was die ganze Welt sieht. Es treibt ihm im Wortsinne die Tränen in die Augen. Und doch versucht er wieder zu relativieren, auszuweichen, Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben. Jene Passage, in der Lanz versucht zu erfragen, ob man in Deutschland nicht auch mehr Verständnis für die Narrative der vielen im Land lebenden Araber aufbringen müsse. Der im Augenblick zuvor noch so niedergeschlagen wirkende alte Mann reagiert allein auf den Begriff Araber mit trotziger Abfälligkeit, mit Verachtung. Als hätten Araber nichts mit der Sache zu tun. Wie können es Araber wagen, sich in die Beziehung zwischen dem geläuterten Deutschen und seinem idealisierten, imaginierten, reinen, unschuldigen Juden zu drängen? Ich beginne langsam zu verstehen.

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